Das Gesicht des Todes: Authentische Mordfälle (German Edition)
vorhergehenden Verhandlungstagen auffallend bleich zu sein. Ihm und den beiden anderen Richtern war die ungeheure Belastung der letzten Tage buchstäblich ins Gesicht geschrieben. Um eine feste und klare Stimme bemüht, forderte er Opitz auf, sich von seinem Sitz zu erheben. Danach verkündete er das Urteil:
» Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil: Der am 15. Oktober 1974 in Saarbrücken geborene Ralf Opitz wird wegen Mordes in Tateinheit mit Vergewaltigung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Er trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Nebenkläger.«
Ein lautes Raunen ging durch den Saal. Bravorufe wurden laut. Kriminaloberkommissar Schulz und ich atmeten tief durch. Das Urteil war der Lohn für die hartnäckige und erstklassige Arbeit der Polizei und Staatsanwaltschaft. Die Eltern Corinnas umarmten sich und weinten, während der Angeklagte und dessen Eltern keinerlei Gefühlsregungen zeigten. Es verging einige Zeit, bis der Vorsitzende die Urteilsbegründung vorlesen konnte. Sie dauerte über eine Stunde und umfasste später in aller Ausführlichkeit 143 DIN-A4 -Seiten.
Unmittelbar danach kündigte der Verteidiger, wiederum unter Unmutsbekundigungen des Publikums, Revision an.
Der 33-seitige Revisionsantrag, der knapp vier Monate später beim Bundesgerichtshof einging, wurde jedoch dank der einzigartigen Meisterleistung von Polizei und Justiz abgewiesen. Insbesondere die Urteilsbegründung war von den Richtern bis ins letzte Detail dermaßen gut und treffend ausgearbeitet, dass sie jeder Anfechtung standhielt.
Die brennende Leiche
» Mein Gott, ist da einer völlig durchgeknallt? Welcher Idiot zündet hier ein Feuer an, mitten im Wald und dann noch zu dieser Jahreszeit?«, dachte sich Forstoberinspektor Otmar Kolb, als er am Montag, dem 30. September 1993, um 8.15 Uhr, mit seinem Land Rover zu einer Waldhütte fahren wollte, um dort an einer Messstelle den Grundwasserpegel zu kontrollieren. Er sah das Feuer schon von weitem und gab Gas. Da der Waldweg unbefestigt und mit tiefen Schlaglöchern versehen war, wurde Kolb in seinem Fahrzeug wild hin und her geschüttelt. Der Wald war zwar noch grün, doch auf dem Boden lagen jede Menge dürre Äste und trockenes Laub. Schon beim Heranfahren überlegte der Förster, wie er das Feuer löschen könnte. Doch es fiel ihm nichts ein. Einen Feuerlöscher oder eine Decke hatte er nicht an Bord, und die Flammen waren schon zu groß, um sie mit seinem Parka auszuschlagen. Kolb wollte sich die Sache aber erst einmal von der Nähe ansehen. Dann konnte er immer noch entscheiden.
Als er an der direkt neben dem Weg befindlichen Brandstelle bremste, sah Kolb, dass da ein lebloser Mensch am Boden lag und lichterloh brannte.
Die Flammen waren zwar nur etwa hüfthoch, aber strahlten eine solche Hitze aus, dass Kolb keine Chance hatte, sich der Leiche weiter zu nähern oder das Feuer irgendwie zu bekämpfen. Da er kein Handy dabeihatte, stieg er wieder in sein Fahrzeug, fuhr eiligst nach Hause und verständigte von dort über Notruf die Polizei. Mit zwei Decken kehrte er anschließend wieder zur Brandstelle zurück. Er kam zeitgleich mit dem ersten Streifenwagen an. Kolb und die Polizisten versuchten mit Hilfe der beiden Decken das Feuer zu ersticken, was jedoch nicht gelang, da diese zu brennen anfingen. Die Beamten fuhren deshalb eilig zu einem nahe gelegenen Industriegelände und besorgten sich dort mehrere Kanister mit Wasser. Schließlich konnten sie damit das Feuer löschen. Wie durch ein Wunder hatte es nicht auf umliegendes Laub und dürre Äste übergegriffen.
Beißender Qualm lag noch in der Luft. Er roch sowohl etwas süßlich als auch merklich nach Benzin. Als sich einer der Beamten den verkohlten Leichnam genauer anschaute, musste er sich zusammenreißen, um sich nicht an Ort und Stelle zu übergeben. An der Leiche waren die Beine und die Unterarme schon so stark verbrannt, dass weiße Knochen zum Vorschein kamen. Das Schlimmste und Grauenvollste aber war, dass offensichtlich der Kopf und beide Hände fehlten.
» Eines ist sicher, ein Selbstmord ist das nicht«, stieß der Schutzpolizist mit heißerer Stimme hervor. » Da muss die Kripo her, am besten gleich die Mordkommission!«
Es dauerte etwa eine halbe Stunde, bis die ersten Kollegen eintrafen. Vierzig Minuten später waren wir fast vollzählig. Wir begannen mit der Tatortarbeit und sperrten zuerst den Leichenfundort weiträumig ab. Danach kennzeichneten wir vom
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