Das Gesicht des Todes: Authentische Mordfälle (German Edition)
sehr dankbar, Frau Appel.«
Als der Streifenwagen wenige Minuten später in der Hirschstraße eintraf, winkte Hannelore Appel schon von weitem. Die beiden Beamten begrüßten sie und begaben sich mit ihr in das erste Obergeschoss des fünfstöckigen Mehrfamilienhauses. Vor Klaus Haags Wohnungstür zog Polizeihauptmeister Dressler eine alte Scheckkarte aus seiner Brusttasche, die er gekonnt in Höhe des Schlosses in den dünnen Spalt zwischen Türblatt und Rahmen schob. Auf diese Weise versuchte er, die Schlosszunge der Tür zurückzudrücken, was ihm jedoch partout nicht gelingen wollte. Die Tür hatte einfach zu wenig Spiel im Rahmen.
Hannelore Appel rief daraufhin den Hausmeister herbei, der im selben Haus wohnte. Doch der konnte die Tür ebenfalls nicht öffnen, da sich der Generalschlüssel nicht weit genug ins Schloss einführen ließ. Offensichtlich steckte von innen der Schlüssel.
Polizeiobermeister Kromer drückte mehrfach und lang auf den Klingelknopf. Gleichzeitig klopfte er heftig gegen die Tür und rief laut:
» Polizei! Bitte machen Sie die Tür auf!«
Doch in der Wohnung rührte sich nichts. Durch eine etwa 20 mal 30 Zentimeter große Milchglasscheibe in der oberen Hälfte des Türblattes sah man ein schwaches Licht aus der Wohnung dringen. Polizeiobermeister Kromer und sein Kollege sahen sich kurz an. Dann nickten sie einander zu. Dressler zog seinen Gummiknüppel und schlug damit die Scheibe ein. Vorsichtig griff er hindurch und tastete nach dem Schlüssel, der tatsächlich von innen steckte.
Als die Beamten die Einzimmerwohnung betraten, nahm Dressler sofort den süßlichen Leichengeruch wahr. Dennoch rief er zwei- oder dreimal » Hallo«, ohne jedoch eine Antwort zu erhalten. Die beiden Kollegen baten Hannelore Appel und den Hausmeister, draußen zu warten, zogen ihre Handschuhe an und schalteten die Lampe im kleinen Flur ein. Während Kromer zum Bad ging, weil dort das Licht brannte, drückte Dressler die einen Spaltbreit geöffnete Wohn- und Schlafzimmertür auf und schaltete dort ebenfalls die Beleuchtung ein.
Als Erstes fiel ihm auf, dass das Zimmer durchwühlt war. Schränke und Behältnisse waren geöffnet und deren Inhalt lag teilweise verstreut auf dem Fußboden. Dann sah er auch schon die beiden blassgelben Beine, die ab der oberen Hälfte mit einer brauen Steppdecke bedeckt waren.
Dressler musste den Raum ganz betreten, um zu sehen, dass vor dem Bett ein Mann auf dem Boden lag, der offensichtlich schwer verletzt oder gar tot war. Die Steppdecke reichte etwa bis zur Hälfte des Rückens, der blutverschmiert und mit einigen Wunden versehen war. Der Mann lag in Bauchlage und hatte den Kopf nach links gedreht. Die linke Gesichtshälfte war insbesondere um das Auge herum blutunterlaufen.
Dressler fiel sofort auf, dass die Hände des Mannes, die er symmetrisch über seinen Kopf hielt, mit dem Gürtel eines Bademantels gefesselt waren. Obwohl der Polizist schon vorher etwas Leichengeruch wahrgenommen hatte, kniete er sich zu dem Mann hinunter und berührte ihn am Rücken, in der Hoffnung, noch ein Lebenszeichen festzustellen. Doch er spürte die typische Kälte und Starre eines toten Körpers, stand auf und verständigte über Handy die Funkleitzentrale.
» Hier Günter 1/354. Wir haben eine Leiche in der Hirschstraße 14. Es ist vermutlich der Wohnungsinhaber. Er ist nackt, hat zahlreiche sichtbare Verletzungen und ist an den Händen gefesselt. Verständigen Sie bitte die Mordkommission und Gerichtsmedizin.«
» Hier Günter, habe verstanden«, antwortete der Sprecher der Funkleitzentrale. » Verlassen Sie die Wohnung und bleiben Sie bitte vor Ort, bis die Kollegen der Kriminalpolizei kommen.«
Mein Telefon klingelte um 22.47 Uhr. Ich hatte einen harten Tag hinter mir, war hundemüde schon zu Bett gegangen und gerade im Einschlafen begriffen. Eine Kollegin des Kriminaldauerdienstes war am anderen Ende der Leitung und teilte mir mit, dass sie den Auftrag habe, die Mordkommission aufzurufen.
Vierzig Minuten später war ich am Tatort. Ich konnte noch schnell einen Blick auf den Toten werfen, als auch schon die Kollegen der Kriminaltechnik eintrafen und mich sowie den Leiter der Moko baten, die Wohnung zu verlassen, damit sie ungestört arbeiten konnten und damit wir vor allem unbeabsichtigt keine Spuren vernichten oder neue verursachen würden. Das konnte in einem Mordfall katastrophale Folgen haben.
Was ich aber bei dem kurzen Blick auf die Leiche feststellte, verschlug mir
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