Das Gesicht des Todes: Authentische Mordfälle (German Edition)
absolut identisch mit einem großen, schwarzen Müllsack war, den man in der Küche des Tatverdächtigen gefunden hatte. Die pechschwarzen Haare aus dem Waschbecken stammten ebenfalls von der Philippinerin. Auffällig hierbei war, dass sie an beiden Enden geschnitten waren. Das bedeutete, dass es sich um Haarreste handelte, die beim Enthaupten des Opfers im Nackenbereich abgetrennt worden waren. Mit diesem überzeugenden Untersuchungsergebnis hatte sich die Schlinge um den Hals von John Dale zugezogen.
Nun stellte sich nur noch die Frage, ob Dale sich vor einer deutschen Strafkammer oder vor einem amerikanischen Militärgericht zu verantworten hatte. Der Verteidiger Dales hatte im Namen seines Mandanten bereits beantragt, den Fall vor einem deutschen Gericht zu verhandeln. Dadurch erhoffte er sich ein milderes Urteil. Er bot im Gegenzug an, dass sein Mandant dann bereit wäre, ein umfassendes Geständnis abzulegen.
Am 3. Februar 1994 fand zwischen den Anklagevertretern beider Nationen eine Besprechung statt. Es sah so aus, als ob es sich hier um einen klassischen Fall von konkurrierender Gerichtsbarkeit handelte. Die Anklagevertreter der Amerikaner beharrten aber darauf, dass sie nach dem Nato-Truppenstatut das Vorrecht zur Ausübung der Gerichtsbarkeit hätten und deshalb das Verfahren gerne übernehmen würden, da der Anklagte ja Angehöriger der amerikanischen Streitkräfte war und sich der Tatort vermutlich auch auf amerikanischem Hoheitsgebiet befand. Gleichzeitig betonten sie, dass John Dale zum Tode verurteilt werden könnte, sollte seine Schuld erwiesen werden. Das Verfahren würde zwar in Deutschland stattfinden, die Todesstrafe würde jedoch auf alle Fälle in den USA vollstreckt werden.
Die deutsche Staatsanwaltschaft wandte ein, dass die Abgabe des Verfahrens an die amerikanische Gerichtsbarkeit unter diesen Gesichtspunkten äußerst bedenklich sei und dass es angebrachter wäre, Dale vor ein deutsches Gericht zu stellen, da sämtliche Ermittlungen von der deutschen Polizei geführt worden waren. Schließlich kam man überein, den Fall nochmals eingehend nach den bestehenden Vorschriften beider Länder sowie nach den bilateralen Vereinbarungen zu prüfen.
Anschließend fanden noch mehrere Besprechungen statt. Zwischenzeitlich schwenkte Dales Rechtsanwalt unverhofft um und beantragte, im Gegensatz zu seinem früheren Antrag, dass die Verhandlung vor dem Militärgericht in Mannheim stattfinden sollte. Damit setzte der Verteidiger alles auf eine Karte. Nachdem er nämlich die Akte studiert hatte, hoffte er, einen Fehler der deutschen Polizei bei der Sicherung der wichtigsten Indizien und Beweise herausarbeiten zu können. Dem Verteidiger war sehr wohl bekannt, dass im amerikanischen Recht ein Grundsatz verankert ist, den man » custody of chain« nennt.
Dieser Grundsatz besagt, dass ein sächliches Beweisstück im Verfahren nur dann zugelassen wird, wenn dessen Herkunft und Verbleib lückenlos nachgewiesen werden kann. Folgendes Beispiel soll das verdeutlichen: Bei der Festnahme eines Tatverdächtigen wird ihm die Waffe, mit dem er das Opfer tötete, von einem Beamten der Schutzpolizei aus der Hand geschlagen und von einem anderen vom Boden aufgehoben. Der gibt sie an seinen Einsatzleiter weiter. Danach wird sie kurzzeitig auf dem Polizeirevier deponiert, bis sie schließlich einem Kriminalbeamten übergeben wird. Dieser bewahrt die Waffe eine Zeit lang in seinem Dienstzimmer auf. Dann leitet er sie an die Schusswaffensachverständigen weiter. Nach Abschluss der Untersuchung wird die Pistole dem Gericht zugesandt.
Das amerikanische Recht verlangt nun in solch einem Fall, dass der gesamte Weg der Waffe absolut minuziös mit Zeit-, Orts- und Personenangaben protokolliert wird. Eine einzige Lücke im Protokoll hat zur Folge, dass die Pistole im Verfahren nicht als Beweismittel zugelassen wird, obwohl doch jedermann weiß, dass der Täter sie bei seiner Festnahme mitführte. Das Gleiche gilt für Blut- und andere Spuren.
Die deutsche Polizei hat zwar den Ruf, äußerst präzise zu arbeiten, ist aber von gerichtlicher Seite keinen so strengen Vorschriften hinsichtlich der Verwahrung sichergestellter Beweismittel unterworfen. Diesen Umstand wollte sich die Verteidigung zunutze machen, um die Fundamente der Anklage zu erschüttern.
Nach längeren, aber in jeder Phase sachlich geführten Diskussionen kamen die Anklagevertreter beider Nationen unter Berücksichtigung aller Umstände schließlich überein,
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