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Das Gesicht

Das Gesicht

Titel: Das Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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Experiment erwiesen.
    Da sie sich selbst von der lebenserhaltenden Maschinerie abgekoppelt hat, ist die Hand jetzt tot. Karloff kann sie zwar noch bewegen, aber nicht mehr lange. Das Fleisch wird sich rasch zersetzen. Sogar die Kraft der Telekinese wird nicht in der Lage sein, erstarrte Gelenke und faulende Muskulatur zu manipulieren.
    Victor hatte mit Sicherheit nicht vorhergesehen, dass Karloff in der Lage sein würde, seine medialen Fähigkeiten dazu zu nutzen, eine eingeschränkte Form von Freiheit zu erlangen und in der verzweifelten Hoffnung, zur Ermordung seines Schöpfers anzustiften, ungehindert im Haus umherzuwandern.
    Mit derselben unheimlichen Kraft hat Karloff den elektronischen Mechanismus betätigt, der die Geheimtür in der Speisekammer öffnete, um Erika Einlass zu verschaffen. Auch den Fernseher im ehelichen Schlafzimmer hat er auf diese Weise bedient, um mit ihr zu sprechen und sie zur Rebellion anzustacheln.
    Da er ein weniger vollständiges Geschöpf ist als Erika, war bei Karloffs Programmierung einiges ausgelassen worden: Ihm fehlten sowohl das volle Verständnis für Victors Mission als auch das Wissen um die Einschränkungen, die der Neuen Rasse auferlegt sind. Als er jetzt erfuhr, dass Erika ihre Hand
nicht gegen ihren Schöpfer erheben konnte, war seine Verzweiflung komplett.
    Als sie vorschlug, er solle seine Kräfte dazu benutzen, die Geräte, die zur Erhaltung seines Daseins dienten, abzuschalten, stellte Erika fest, dass auch bei ihm die Unfähigkeit zur Selbstzerstörung vorprogrammiert war.
    Sie kämpfte gegen die Mutlosigkeit an; ihre Hoffnung stand jetzt nur noch auf so wackligen Füßen wie ein dreibeiniger Tisch. Die kriechende Hand und die anderen Erscheinungen waren keine Manifestationen des Übernatürlichen gewesen, nach dessen Existenz sie sich verzehrte.
    Sie wollte so gern daran glauben, dass diese Wunder der Beweis für das Vorhandensein einer anderen Welt als nur dieser hier waren. Was ihr als Gegenwart Gottes erschienen war, war jedoch nichts anderes gewesen als der groteske Karloff.
    Sie hätte ihm die Schuld an ihrer tiefen Enttäuschung geben können, ihn hassen können, doch sie tat es nicht. Stattdessen bemitleidete sie dieses armselige Geschöpf, das bei all seiner Macht hilflos und dazu verurteilt war, zu Lebzeiten durch die Hölle zu gehen.
    Vielleicht war das, was sie empfand, kein Mitleid. Genau genommen konnte sie nämlich nicht zu Mitleid fähig sein. Aber etwas empfand sie, und dieses Gefühl war heftig.
    »Töte mich«, flehte das jämmerliche Ding.
    Die blutunterlaufenen Augen waren gehetzt. Das unvollständig ausgeformte Gesicht war eine Maske des Elends.
    Erika begann, ihm zu erklären, ihre Programmierung ließe es nicht zu, einen Angehörigen der Alten oder der Neuen Rasse zu töten, es sei denn, in Notwehr oder auf Befehl ihres Schöpfers. Dann wurde ihr klar, dass diese spezielle Situation in ihrer Programmierung nicht vorgesehen war.
    Karloff gehörte nicht der Alten Rasse an, aber als ein Angehöriger der Neuen Rasse konnte er auch nicht gelten. Er war etwas anderes. Er war einzigartig.

    Keine der Verhaltensregeln, die Erikas Leben bestimmten, war auf seinen Fall anwendbar.
    Sie warf einen Blick auf die Lebenserhaltungssysteme. Da ihr die Funktionen der einzelnen Geräte gänzlich unklar waren, sagte sie: »Ich möchte dir keine Schmerzen bereiten.«
    »Schmerz ist alles, was ich kenne«, murmelte er. »Frieden ist alles, was ich mir ersehne.«
    Sie drückte Schalter und zog Stecker. Das Surren von Motoren und das Rauschen von Pumpen verstummte, und Stille kehrte ein.
    »Es geht zu Ende mit mir«, sagte Karloff mit belegter Stimme, und seine Worte wurden undeutlich. Seine blutunterlaufenen Augen fielen zu. »Zu Ende …«
    Auf dem Fußboden in einer Ecke des Raums wand sich die Hand in Krämpfen und bäumte sich auf.
    Die letzten Worte des körperlosen Kopfs waren so verschliffen und gehaucht, dass sie kaum noch verständlich waren. » Du … musst ein … Engel sein. «
    Sie stand noch eine Zeit lang da und dachte an das, was er gesagt hatte, denn die Dichter der Alten Rasse hatten häufig geschrieben, Gottes Wege seinen unergründlich.
    Nach einer Weile begriff sie, dass Victor sie nicht hier finden durfte.
    Sie sah sich die Schalter an, die sie gedrückt hatte, die Stecker, die sie gezogen hatte. Einen der Stecker steckte sie wieder ein. Sie hob die Hand auf und legte sie direkt unter den Schaltern auf den Boden. Den verbliebenen Stecker

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