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Das Gesicht

Das Gesicht

Titel: Das Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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drückte sie in die Hand, presste die steifen Finger um ihn herum zusammen und hielt sie fest, bis sie ohne den zusätzlichen Druck von außen in ihrer Haltung verharrten.
    Als sie in die Speisekammer zurückkehrte, brauchte sie eine Minute, um den verborgenen Hebel zu finden. Die Regale voller Konservendosen glitten an ihren ursprünglichen Platz zurück und verschlossen den Eingang zu Victors Studio.
Sie stellte sich wieder vor das Gemälde von van Huysum im Salon. Eine solche Schönheit.
    Damit sie Victor sexuell noch mehr erregen konnte, waren ihr Schamgefühle gestattet worden. Aus der Scham war Demut erwachsen. Jetzt schien es ganz so, als sei aus der Demut vielleicht Mitleid erwachsen und noch mehr als nur Mitgefühl: Barmherzigkeit.
    Während sie über ihr Potenzial nachdachte, wurde Erikas Hoffnung wiedergeboren. Ihr Ding mit Federn, das in ihrem Herzen, wenn schon nicht in ihrer Seele, hockte, war ein Phönix, der sich einmal mehr aus der Asche erhob.

74
    Grelle unsynchronisierte Strahlen aus den kreisenden Warnlichtern auf den Dächern von Streifenfahrzeugen und Krankenwagen malten mit rotem und weißem und blauem Licht eine patriotische Phantasmagorie auf die Fassade des Wohnhauses.
    Die Nachbarn versammelten sich auf dem Bürgersteig, einige in Schlafanzügen und Morgenmänteln, andere vollständig angezogen und für die Nachrichtenkameras hergerichtet. Sie plauderten, lachten, tranken Bier aus Pappbechern, tranken Bier aus Dosen, aßen kalte Pizza, aßen Kartoffelchips aus Tüten, machten Schnappschüsse von der Polizei und voneinander. Sie schienen den abrupten Ausbruch von Gewalttätigkeit und die Anwesenheit eines Serienmörders inmitten von ihnen als Grund zum Feiern anzusehen.
    Vor dem offenen Kofferraum der Limousine sagte Michael, während Carson die Schrotflinte verstaute: »Wie kann er
nach einer Bauchlandung aus dem vierten Stock aufspringen und wegrennen?«
    »Da gehört mehr dazu als Mumm.« »Und wie sollen wir diesen Bericht schreiben, ohne in der Geschlossenen zu landen?«
    Carson knallte den Kofferraum zu. »Wir lügen.«
    Ein Subaru Outback fuhr hinter ihnen an den Straßenrand, und Kathleen Burke stieg aus. »Ist das zu fassen – Harker ?«
    »Und dabei schien er immer so ein Goldschatz zu sein«, sagte Michael.
    »Sowie ich den Abschiedsbrief auf Roy Pribeaux’ Computer gelesen habe«, teilte Carson Kathy mit, »war mir klar, dass er ihn nicht selbst geschrieben hat. Gestern hat Harker, als er Michael und mich verarschen wollte, dieselbe Formulierung verwendet, mit der Pribeaux’ Abschiedsbrief endet – ›noch eine Stufe tiefer als die Hölle‹.«
    Michael bestätigte es: »Harker hat uns gesagt, um diesen Kerl zu schnappen, müssten wir uns an einem unheimlicheren Ort umschauen – noch eine Stufe tiefer als die Hölle.«
    Kathy fragte überrascht: »Soll das heißen, ihr glaubt, dass er es absichtlich getan hat? Er wollte , dass ihr ihm auf die Schliche kommt?«
    »Vielleicht unbewusst«, sagte Carson, »aber trotzdem, so war es. Er hat den Schönling vom Dach geworfen, nachdem er es so eingefädelt hatte, dass ihm sowohl seine, Pribeaux’, Mordserie angehängt würde als auch die Morde, die er, Harker, selbst begangen hatte. Aber mit diesen wenigen Worten – ›noch eine Stufe tiefer als die Hölle‹ – hat er eine Lunte angesteckt, um sich selbst in die Luft zu sprengen.«
    »Tief in ihrem Innern wollen sie so gut wie immer geschnappt werden«, stimmte Kathy ihr zu. »Aber ich hätte nicht erwartet, dass Harkers Psyche so …«
    »So was?«

    Sie zuckte die Achseln. »So strukturiert ist. Ich weiß es selbst nicht. Ich rede Blödsinn. Mann, die ganze Zeit über, während ich sein Persönlichkeitsprofil erstelle, habe ich den Mistkerl direkt vor meiner Nase.«
    »Nimm dich bloß nicht zu hart ins Gebet«, riet ihr Carson. »Keiner von uns hat Harker verdächtigt, bis er geradezu mit dem Finger auf sich selbst gezeigt hat.«
    »Aber vielleicht hätte ich darauf kommen müssen «, sagte Kathy besorgt. »Erinnert ihr euch noch an die drei Nachtclubmorde vor sechs Monaten? Harker und Frye waren auf den Fall angesetzt.«
    Michael zuckte die Achseln. »Klar. Harker hat den Täter erschossen. An der Schießerei war was faul, aber er ist entlastet worden.«
    »Nach einem OIS mit tödlichem Ausgang«, sagte Kathy, »hat er sechs Stunden Therapie aufgebrummt bekommen. Zu den beiden ersten Sitzungen ist er erschienen, aber dann hat er sich nicht mehr bei mir blicken

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