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Das Gesicht

Das Gesicht

Titel: Das Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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einmal die Arbeit dem Müßiggang vor. Er begab sich auf direktem Wege in sein verborgenes Studio hinter der Speisekammer.
    Karloff war zugrunde gegangen. Die Lebenserhaltungsmaschinen waren außer Betrieb.
    Verblüfft drehte er eine Runde um die Arbeitsplatte mitten im Raum und verstand gar nichts mehr, bis er weit genug gekommen war, um die Hand auf dem Fußboden zu entdecken. Die Schalter, die betätigt worden waren, befanden sich direkt darüber. Zudem hielten die Finger einen Stecker umklammert, den sie aus einer Steckdose gezogen hatten.
    Obgleich ihn dieser Rückschlag enttäuschte, überraschte es Victor, dass Karloff in der Lage gewesen war, seine eigenen Systeme abzuschalten.
    Das Geschöpf war darauf programmiert worden, zur Selbstzerstörung unfähig zu sein. In diesem Punkt ließen die Verhaltensmaßregeln, von denen Karloff gesteuert wurde, keinen Spielraum.
    Noch entscheidender war, dass die Hand losgelöst von ihrem eigenen Lebenserhaltungssystem nichts hätte ausrichten können. In dem Moment, in dem sie sich von ihren Zufuhr- und Abfuhrschläuchen losgerissen hatte, war ihr der Schwachstrom verloren gegangen, der erforderlich war, um Impulse zu ihren Nerven auszusenden und ihre Muskulatur zu bedienen. In dem Moment hätte sie augenblicklich jede Bewegung einstellen, erschlaffen und sterben müssen – und der Zersetzungsprozess hätte beginnen sollen.
    Victor fand nur eine einzige Erklärung dafür. Offenbar waren Karloffs telekinetische Kräfte stark genug gewesen, um die Hand fortzubewegen, als sei sie lebendig.

    Die Fähigkeiten, die Karloff demonstriert hatte, wenn er die Hand aus der Ferne lenkte, hatten sich darauf beschränkt, einen Daumen umzubiegen und ein Arpeggio anzudeuten, indem er mit den vier Fingern die Saiten einer imaginären Harfe zupfte. Das waren einfache, kleine Aufgaben.
    Die Hand dazu zu bringen, dass sie sich von ihren Verbindungen losriss, zu bewirken, dass sie auf den Boden fiel und dann fast einen Meter an diesen Geräten hochkroch, um die lebenserhaltenden Systeme auszuschalten und dann auch noch den Stecker zu ziehen … Das erforderte weitaus größere telekinetische Kräfte und eine präzisere Beherrschung dieser Einflüsse als alles, was Karloff bis dahin vorgeführt hatte.
    Ein unglaublicher Durchbruch. Selbst wenn es Karloff nicht mehr gab, konnte ein zweiter Karloff hergestellt werden. Es würde also nur ein vorläufiger Rückschlag sein.
    Victor setzte sich aufgeregt an seinen Schreibtisch und öffnete in seinem Computer den Ordner, in dem das Experiment festgehalten worden war. Er klickte auf das Kamerasymbol und rief die Videoaufzeichnungen der Vorfälle in seinem Studio während der letzten vierundzwanzig Stunden ab.
    Er war sehr überrascht, als im Schnellrücklauf plötzlich Erika auftauchte.

83
    Wie schon bei ihrem Besuch im Luxe am Vorabend fand Carson auch heute einen der Haupteingänge unverschlossen vor. Diesmal erwartete sie niemand im Foyer.
    Zwischen dem Kinofoyer und dem Vorführsaal standen Doppeltüren offen.

    Michael warf im Vorübergehen einen Blick auf die Erfrischungstheke und sagte: »Ich frage mich, ob man, wenn man hier Popcorn kauft, das ohne Kellerasseln bestellen darf.«
    Das Kino selbst erwies sich als groß und hatte außer dem Parkett auch noch zwei Ränge.
    Das Alter, der Schmutz und der abbröckelnde Verputz taten dem prächtigen Dekor zwar Abbruch, doch es kam immer noch zur Geltung.
    Ein fetter Mann in einer weißen Freizeithose, einem weißen Hemd und einem weißen Panamahut stand vor dem ramponierten Vorhang aus rotem Samt, der die riesige Leinwand verbarg. Er sah aus wie Sidney Greenstreet, der gerade eben Casablanca entstiegen war.
    Dieser Greenstreet hatte den Blick zur Decke gerichtet und starrte gebannt etwas an, was Carson nicht gleich entdecken konnte.
    Deucalion stand mit dem Gesicht zur Leinwand auf halber Höhe des Mittelgangs. Er hatte den Kopf in den Nacken gelegt und suchte langsam die reich verzierte Architektur über ihnen ab.
    Gemeinsam mit der Stille wurde die Eigentümlichkeit des Moments zerstört, als heftige Flügelschläge einen eingesperrten Vogel zu erkennen gaben, der aus dem Deckengewölbe über ihnen herabstieß und aufgeschreckt von einem Dachgesims-Nistplatz zum anderen flog.
    Als Carson und Michael auf Deucalion zugingen, hörte sie ihn sagen: »Komm zu mir, Kleiner. Fürchte dich nicht.«
    Der Vogel setzte sich wieder in Bewegung, flog wild umher, setzte zum Sturzflug an … und landete auf

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