Das Gesicht
geometrischen Muster aufzwingen.
Beinah übermannen ihn wieder die Tränen, bevor er erkennt, dass er die Augen nicht öffnen muss, um diesen Raum zu durchqueren. Blinde bewegen sich mit Hilfe von Stöcken und geduldigen Hunden voran. Seine Phantasie wird ihm als Blindenstock dienen.
Mit geschlossenen Augen sieht er vier Kästchen. Er macht vier große Schritte nach vorn und buchstabiert dabei m-a-c-h .
Als das Wort vollständig ist, öffnet er die Augen und stellt fest, dass er vor der angepeilten Tür steht. Die Tür mit dem elektronischen Schloss hinter ihm ist zugefallen. Die Pforte vor ihm hat ein einfaches Schnappschloss und ist von der anderen Seite aus immer geschlossen und von dieser Seite aus immer offen.
Er macht die Tür auf.
Triumph.
Dahinter liegt die Tiefgarage, schwach erleuchtet und um diese Tageszeit menschenleer. Hier herrscht Stille, und es riecht nach Feuchtigkeit und Kalk.
Um den kleinen Raum zu verlassen, schließt Randal sechs ganz einfach die Augen und stellt sich das Wort Schwelle in großen Druckbuchstaben von links nach rechts direkt vor seinen Füßen vor. Zum Glück überkreuzt sich das Wort Tiefgarage beim Buchstaben e damit.
Mit geschlossenen Augen macht er entschlossen sieben Schritte in den gewaltigen Raum vor ihm hinein: f-g-a-r-a-g-e . Die Tür fällt hinter ihm ins Schloss und lässt sich von dieser Seite aus nicht mehr öffnen.
Es gibt kein Zurück.
Die beängstigenden Dimensionen der Tiefgarage jagen ihm einen großen Schrecken ein und überwältigen ihn fast. Auf solche Ausmaße hat ihn im Zuge seiner bisherigen Erfahrungen in der Barmherzigkeit kein Raum vorbereitet.
Ein inneres Beben scheint Knochen an Knochen rasseln zu lassen.
Er fühlt sich wie ein enorm komprimiertes Teilchen Materie im Moment vor der Erschaffung des Universums, und wenn es zum Urknall kommt, wird er sich nach allen Richtungen ausdehnen und explodieren, um rasend schnell eine unendliche Leere zu füllen.
Mit einem ungeheuren Sieg der Vernunft über seinen Zustand, wie er ihn bisher noch nie erringen konnte, überzeugt er sich davon, dass die Leere ihn nicht in Stücke reißen und ihn nicht in unendliche Weiten verstreuen wird. Allmählich lässt seine Panik nach und fällt schließlich ganz von ihm ab.
Er schließt die Augen, um sich Kästchen vorzustellen, und buchstabiert sich verbissen voran. Nach jedem Wort macht Randal die Augen auf, um den Weg, der vor ihm liegt, abzuschätzen und die Länge des nächsten benötigten Wortes zu bestimmen.
Auf diese Weise gelangt er mit der Zeit zu einer Ausfahrtsrampe und steigt zur Straße empor. Die Nacht ist, wie so oft in Louisiana, warm und feucht und voller surrender Moskitoschwärme.
Als er den Weg von einer Kreuzung zur anderen zurücklegt und nach rechts in eine schmale Seitenstraße abbiegt, malt der Pinsel der Dämmerung im Osten die ersten grauen Striche an den Himmel.
Wieder einmal droht ihn die Panik zu überwältigen. Bei Tageslicht, wenn alle wach und unterwegs sind, wird die Welt ein wüster Tumult von Anblicken und Geräuschen sein. Er ist sicher, dass er einen solchen Überfluss an Sinneswahrnehmungen nicht verkraften kann.
Die Nacht ist für ihn eine geeignetere Umgebung. Die Dunkelheit ist sein Freund.
Er muss einen Ort finden, an dem er sich verstecken kann, bis der Tag vorbei ist.
81
In ihrer Erschöpfung segelte Carson ohne Alpträume durch den Schlaf und hatte nur einen einzigen kontinuierlichen Traum, in dem sie an Bord eines schwarzen Schiffs war, das unter einem schwarzen Himmel stumm durch schwarzes Wasser schnitt.
Sie war erst weit nach Tagesanbruch ins Bett gekommen. Um halb drei wachte sie auf, stellte sich unter die Dusche und aß dann eine Kleinigkeit, während sie in Arnies Zimmer stand und dem Jungen bei seiner Arbeit an der Burg zusah.
An den Fuß der Zugbrücke über den Burggraben, vor das Tor des Wachturms, an beide Eingänge vom äußeren zum
inneren Trakt und auch in den befestigten Eingang zum Bergfried hatte Arnie jeweils einen der schimmernden Pennies gelegt, die Deucalion ihm gegeben hatte.
Sie vermutete, dass die Pennies in Arnies Vorstellung Amulette waren, die die Kraft des entstellten Riesen verkörperten. Ihr starker Zauber würde das Eindringen jedes Feindes verhindern.
Offenbar vertraute Arnie Deucalion.
Das tat auch Carson.
Wenn man die Ereignisse der beiden letzten Tage in Betracht zog, erschien Deucalions Behauptung, Frankensteins Ungeheuer zu sein, nicht unwahrscheinlicher als
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