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Das Gesicht

Das Gesicht

Titel: Das Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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an die Trockenmauer geheftet: Christus am Kreuz, Christus bei der Enthüllung Seines Heiligen blutigen Herzens, die Jungfrau Maria; Buddha; Ahura Mazda; die Hindu-Göttinnen Kali, Parvati und Chandi, die Hindu-Götter Vishnu, Doma und Varuna; Quan Yin, die chinesische Himmelskönigin und Göttin des Mitgefühls; die ägyptischen Götter Anubis, Horus, Amun-Re …

    Frye fragte bestürzt: »Was hat das alles zu bedeuten?«
    »Einen Aufschrei«, sagte Carson.
    »Einen Aufschrei wonach?«
    »Nach Sinn. Einer Bestimmung. Hoffnung.«
    »Wieso denn das?«, fragte sich Frye verwundert. »Er hatte doch einen Job. Und noch dazu einen, der reichlich Vorteile mit sich bringt.«

80
    Randal sechs steht so lange Zeit regungslos auf der Schwelle zum nächsten Raum und ist so verkrampft, dass seine Beine zu schmerzen beginnen.
    Die Neue Rasse ermüdet nicht so leicht. Randal sechs macht in diesem Moment erstmals Erfahrung mit Muskelkrämpfen. Es sticht so sehr, dass er schließlich seine Fähigkeit nutzt, Schmerzen nach Belieben abzublocken.
    Eine Armbanduhr hat er nicht. Dafür hätte er bisher noch nie Verwendung gehabt. Er schätzt, dass er seit zirka drei Stunden unbeweglich auf demselben Fleck steht, durch seine missliche Lage dort festgenagelt. Er sitzt in der Patsche.
    Diese Beschreibung ist für seine Situation erbärmlich unzutreffend. Die korrekte Bezeichnung wäre nicht Patsche, sondern Zwickmühle. Er ist nicht in eine missliche Lage geraten, sondern in eine katastrophale Zwangslage.
    Zwar ist er körperlichen Qualen entronnen, aber vor seinen Seelenqualen kann er nicht davonlaufen. Er verabscheut sich selbst für seine Unzulänglichkeiten.
    Wenigstens hat er aufgehört zu weinen. Schon vor langer Zeit.
    Allmählich verdichtet sich seine Unzufriedenheit mit sich
selbst zu immenser Wut auf Arnie O’Connor. Wenn Arnie nicht wäre, dann wäre Randal sechs gar nicht erst in diese Zwangslage geraten.
    Falls er es jemals schafft, zu dem kleinen O’Connor zu gelangen, wird er ihm das Geheimnis des Glücks entreißen. Und dann wird er Arnie für all das Leid, das er im Moment durchmacht, teuer bezahlen lassen.
    Randal plagen aber auch Ängste. In regelmäßigen Abständen rasen seine beiden Herzen und pochen vor Entsetzen so heftig, dass ihm Schweiß aus den Poren rinnt und das Rauschen des Bluts seine Sicht trübt.
    Er befürchtet, dass Vater sein Verschwinden entdecken und sich auf die Suche nach ihm machen wird. Aber vielleicht wird Vater auch seine derzeitige Arbeit abschließen und über Nacht nach Hause gehen und dabei auf Randal stoßen, der hier in autistischer Unentschlossenheit stillsteht.
    Dann wird er wieder zu dem Drehgestell geführt und dort in einer Kreuzigungspose festgebunden werden. Der Gummikeil, der von dem Kinnriemen festgehalten wird, wird zwischen seine Zähne gesteckt werden.
    Er hat zwar noch keinen von Vaters Wutausbrüchen erlebt, aber er hat andere über den Zorn des Schöpfers reden hören. Vor ihm kann man sich nicht verstecken, und der Gegenstand seines Zorns hat kein Erbarmen zu erwarten.
    Als Randal glaubt, das Geräusch einer Tür zu hören, die sich am hinteren Ende des Gangs öffnet, schließt er die Augen und wartet voller Grauen.
    Zeit vergeht.
    Von Vater keine Spur.
    Randal muss das Geräusch mit einem anderen verwechselt oder es sich eingebildet haben.
    Während er mit geschlossenen Augen dasteht und seine Herzen versuchen, zu einem normalen Rhythmus zurückzufinden, bildet sich vor seinem geistigen Auge ein beruhigendes
Muster heraus: Anordnungen von leeren weißen Kästchen vor einem schwarzen Hintergrund, die sich mit den schönen jungfräulichen Linien eines noch nicht begonnenen Kreuzworträtsels überschneiden.
    Während er sich um der beschwichtigenden Wirkung willen auf dieses karge Bild konzentriert, geht ihm eine Lösung für sein Dilemma auf. Wenn der Boden vor ihm nicht durch die Quadrate von PVC-Fliesen oder Zementblöcke oder ein anderes Material unterteilt ist, dann kann er diese Trennlinien mit seiner Phantasie einzeichnen.
    Aufgeregt öffnet er die Augen, mustert den Fußboden des Raums auf der anderen Seite der Schwelle eingehend und versucht, die vier Kästchen aufzumalen, die er braucht, um das Wort Gemach zu Ende zu buchstabieren, wenn er die Schwelle überquert hat.
    Es misslingt ihm. Obwohl es ihm mit geschlossenen Augen durchaus möglich war, die Kästchen deutlich vor sich zu sehen, widersetzt sich der Zementboden vor ihm und lässt sich keine eingebildeten

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