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Das Gesicht

Das Gesicht

Titel: Das Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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trocken, »ich bin schon immer mit der Mode gegangen.«
     
    Hinter der großen Filmleinwand hatte das Luxe ein Labyrinth von Gängen, Abstellkammern und Räumen aufzuweisen, in die nie ein Besucher gelangt war. Mit schlingernden Schritten lief Jelly schwer atmend voraus, vorbei an Lattenkisten und verschimmelten Kartons, alten Filmplakaten und Pappfiguren, deren Ränder sich von der Feuchtigkeit eingerollt hatten.
    »Ben hat sieben Namen auf den Brief geschrieben, den er mir geschickt hat«, sagte Deucalion.
    »Du hast einmal Kloster Rombuk erwähnt, und er dachte sich, du könntest vielleicht noch dort sein, aber er wusste nicht, welchen Namen du da benutzt.«
    »Er hätte meine Namen nicht weitergeben sollen.«
    »Bloß, weil ich deine Decknamen kenne, kann ich dich noch lange nicht verhexen.«
    Sie erreichten eine Tür mit einer rüstungsdicken grünen Farbschicht. Biggs öffnete sie, schaltete das Licht an und bedeutete Deucalion, vor ihm einzutreten.
    Hinter der Tür lag eine fensterlose, jedoch sehr gemütliche kleine Wohnung. Von dem Wohnschlafzimmer ging eine Kochnische ab. Ben liebte Bücher; zwei Wände wurden vollständig von ihnen eingenommen.

    Jelly Biggs sagte: »Eine goldige Wohnung hast du geerbt.«
    Das Schlüsselwort schnitt durch Deucalions Schädel, ehe es ihn wie eine brennende Ohrfeige traf. »Geerbt. Was soll das heißen? Wo ist Ben?«
    Jelly sah ihn überrascht an. »Du hast meinen Brief nicht bekommen?«
    »Nur seinen.«
    Jelly setzte sich auf einen der Stühle aus Chrom und rotem Vinyl, die in der Essecke standen. Der Stuhl ächzte. »Ben ist überfallen worden.«
    Die Welt ist ein Meer von Schmerzen. Deucalion fühlte, wie die vertraute alte Flut ihn durchströmte.
    »Der beste Stadtteil ist es nicht gerade, und es wird immer schlimmer«, sagte Biggs. »Ben hat das Luxe gekauft, als er sich aus dem Geschäftsleben zurückgezogen hat. Damals hieß es, die Gegend sei im Aufschwung begriffen. Daraus ist aber nichts geworden. Derzeit wäre das Kino schwer verkäuflich, und daher wollte Ben es behalten.«
    »Wie ist es passiert?«, fragte Deucalion.
    »Er ist erstochen worden. Mit mehr als zwanzig Messerstichen. «
    Wut regte sich in Deucalion wie lange Zeit unterdrückte Hungergefühle. Früher einmal hatte die Wut ihm Nahrung gegeben, und während er sich daran labte, war er am ausgestreckten Arm verhungert.
    Wenn er diese Wut aufkommen ließ, würde sie sich schnell zu Raserei auswachsen – und ihn verzehren. Jahrzehntelang hatte er diesen Blitz in einer zugekorkten Flasche unter Verschluss gehalten, aber jetzt sehnte er sich danach, den Stöpsel herauszuziehen.
    Und was dann? Würde er wieder das Monster werden? Vom Pöbel mit Fackeln, mit Heugabeln und mit Gewehren verfolgt, während er unermüdlich davonrannte, mit bellenden Hunden auf den Fersen, die nach seinem Blut gierten?

    »Er war uns allen ein zweiter Vater«, sagte Jelly Biggs. »Der beste Boss eines verdammten Monstrositätenkabinetts, den ich je gekannt habe.«
    Ben Jonas hatte zu der kostbaren Hand voll Menschen gezählt, die Deucalion im Lauf der vergangenen zweihundert Jahre in seine wahre Herkunft eingeweiht hatte; er war einer der wenigen gewesen, denen er rückhaltlos vertraut hatte.
    Er sagte: »Er ist ermordet worden, nachdem er sich mit mir in Verbindung gesetzt hat.«
    Biggs zog die Stirn in Falten. »Du sagst das so, als bestünde ein Zusammenhang.«
    »Hat man den Mörder gefunden?«
    »Nein. Aber das ist nicht ungewöhnlich. Der Brief an dich und der Überfall auf ihn, das ist doch nichts weiter als ein Zufall.«
    Endlich stellte Deucalion seinen Koffer ab und sagte: »Es gibt keine Zufälle.«
    Jelly Biggs blickte von dem Stuhl in der Essecke auf und sah Deucalion in die Augen. Wortlos verständigten sie sich darüber, dass sie nicht nur Jahre auf Jahrmärkten miteinander gemeinsam hatten, sondern auch eine Weltsicht, die so reich an Bedeutung wie an Rätselhaftem war.
    Der Fettwanst deutete auf die Kochnische und sagte: »Ben hat dir nicht nur das Kino hinterlassen, sondern auch noch sechzigtausend in bar. Das Geld ist im Gefrierfach.«
    Deucalion dachte einen Moment lang über diese Enthüllung nach und sagte dann: »Er hat nicht vielen Leuten getraut.«
    Jelly zuckte die Achseln. »Was sollte ich mit Geld anfangen, wo ich doch schon so gut aussehe?«

9
    Sie war jung, arm und unerfahren. Sie hatte sich noch nie die Nägel maniküren lassen, bis Roy Pribeaux mit diesem Vorschlag an sie herantrat.
    »Ich

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