Das Gesicht
maniküre meine eigenen Hände«, sagte er. »Eine Maniküre kann erotisch sein, verstehen Sie. Geben Sie mir eine Chance, Sie werden es ja selbst sehen.«
Roy bewohnte einen geräumigen Loft, der die obere Hälfte eines umgebauten alten Lagerhauses im Warehouse District einnahm. Viele heruntergekommene Bauten in dieser Gegend waren in weitläufige Künstlerwohnungen umgewandelt worden.
Das Erdgeschoss unter ihm teilte sich eine Druckerei mit einem Betrieb, der Computerteile zusammenbaute. Diese Firmen existierten, was Roy Pribeaux betraf, in einem anderen Universum; er fiel ihnen nicht zur Last, und umgekehrt war es ebenso.
Er brauchte seine Ruhe und wollte ungestört sein, vor allem, wenn er eine neue und ganz spezielle Bekanntschaft in seinen Loft mitnahm. Diesmal hieß sie Elizabeth Lavenza.
Es mochte zwar seltsam anmuten, bei einem ersten – oder sogar bei einem zehnten – Treffen eine Maniküre vorzuschlagen, doch er hatte Elizabeth dazu überreden können. Er wusste nur zu gut, dass die moderne Frau für die Sensibilität von Männern empfänglich ist.
Zuerst badete er ihre Finger am Küchentisch in einer flachen Schale mit warmem Öl, damit sowohl die Nägel als auch die Nagelhaut weich wurden.
Auch mochten die meisten Frauen Männer, denen es Spaß machte, sie zu verwöhnen, und die junge Elizabeth unterschied sich in diesem Punkt nicht von ihnen.
Zu seiner Sensibilität und dem Wunsch zu verwöhnen kam noch hinzu, dass Roy auf einen Schatz von amüsanten
Geschichten zurückgreifen und ein Mädchen zum Lachen bringen konnte. Elizabeths Lachen klang bezaubernd. Das arme Ding, sie hatte nicht die geringste Chance gegen ihn.
Als er ihre Fingerspitzen lange genug eingeweicht hatte, wischte er sie mit einem flauschigen Tuch trocken.
Er benutzte einen natürlichen azetonfreien Nagellackentferner, um die rote Farbe von ihren Nägeln zu lösen. Dann verlieh er mit den sanften Bewegungen einer Feile der Spitze jedes Nagels eine vollendete Rundung.
Er hatte gerade erst begonnen, die Nagelhaut zurückzuschieben, als es zu einem peinlichen Zwischenfall kam: Sein spezielles Handy läutete, und er wusste, dass es sich bei dem Anrufer nur um Candace handeln konnte. Während er sich gerade liebevoll um Elizabeth bemühte, rief die andere Frau in seinem Leben an.
Er entschuldigte sich und eilte in den Essbereich, wo er das Telefon auf dem Tisch liegen lassen hatte. »Hallo?«
»Mr Darnell?«
»Diese bezaubernde Stimme kenne ich doch«, sagte er leise und ging mit dem Telefon ins Wohnzimmer, um mehr Abstand zu Elizabeth zu gewinnen. »Ist das Candace?«
Die Zuckerwatteverkäuferin lachte nervös. »Wie konnten Sie meine Stimme erkennen, wo wir doch kaum miteinander geredet haben?«
Er blieb mit dem Rücken zur Küche an einem der hohen Fenster stehen und sagte: »Erkennen Sie meine Stimme denn nicht wieder?«
Er konnte fast fühlen, wie die Glut ihres Errötens durch die Leitung drang, als sie zugab: »Oh, doch, gewiss.«
»Ich freue mich sehr über Ihren Anruf«, murmelte er diskret.
Sie sagte schüchtern: »Tja, ich dachte mir … vielleicht treffen wir uns auf einen Kaffee?«
»Einen Kaffee, um uns besser kennen zu lernen. Sagen Sie mir nur, wann und wo.«
Er hoffte, sie meinte nicht jetzt gleich . Elizabeth erwartete ihn, und es machte ihm Spaß, ihre Hände zu maniküren.
»Morgen Abend?«, schlug Candace vor. »Im Allgemeinen legt sich der Betrieb auf der Promenade nach acht Uhr.«
»Dann treffen wir uns doch am roten Wägelchen. Ich bin der Typ mit dem strahlenden Lächeln.«
Da sie im Flirten keine Übung hatte, sagte sie unbeholfen: »Und ich bin vermutlich die … mit den Augen.«
»Mit absoluter Sicherheit«, sagte er. »Und was für Augen.«
Roy drückte auf BEENDEN. Das Handy war ein Wegwerfartikel und nicht auf seinen Namen angemeldet. Aus reiner Gewohnheit wischte er seine Fingerabdrücke ab, ehe er es aufs Sofa warf.
Seine moderne, nüchterne Wohnung war nur spärlich eingerichtet. Sein ganzer Stolz waren seine Trainingsgeräte. An den Wänden hingen Reproduktionen von Leonardo da Vincis anatomischen Skizzen, den Studien der perfekten menschlichen Gestalt, die dieser große Mann angefertigt hatte.
Als er zu Elizabeth zurückkehrte, die ihn am Küchentisch erwartete, sagte Roy: »Meine Schwester. Sie ruft oft an. Wir stehen einander sehr nah.«
Sowie die Maniküre beendet war, unterzog er die Haut ihrer perfekten Hände einem sanften Peeling mit einer Mixtur aus Mandelmilch,
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