Das Gesicht
Meersalz und Lavendelessenz (aus eigener Herstellung), die er behutsam in die Handfläche, den Handrücken, die Knöchel und die Finger einmassierte.
Schließlich spülte er die Hände gründlich mit Wasser ab, wickelte jede von beiden in sauberes weißes Wurstpapier und verpackte sie in Gefrierbeuteln. Als er die Hände in die Tiefkühltruhe legte, sagte er: »Ich bin ja so froh, dass du nie mehr fortgehen wirst, Elizabeth.«
Er empfand es gar nicht als seltsam, mit ihren abgeschnittenen
Händen zu sprechen. Ihre Hände waren ihre eigentliche Essenz. Nichts anderes an Elizabeth Lavenza war es wert gewesen, darüber oder damit zu reden. Ihre Hände, das war sie .
10
Das Luxe war ein überladener Palast, zu seinen Zeiten ein glanzvolles Prunkstück des Art Déco, ein angemessener Rahmen für die Filme von William Powell und Myrna Loy, Humphrey Bogart und Ingrid Bergman. Mit seiner abgeblätterten Pracht teilte es das Schicksal vieler Hollywood-Gesichter, die ihren Glanz verloren hatten und erschlafft waren.
Deucalion begleitete Jelly Biggs durch den Mittelgang zwischen den Reihen von muffigen, geflickten Sitzen.
»Diese verdammten DVDs haben das Geschäft mit den Wiederaufnahmen kaputtgemacht«, sagte Jelly. »Bens Ruhestand hat nicht gehalten, was er sich davon versprochen hatte.«
»Auf der Anzeigetafel steht, dass ihr noch geöffnet habt, von Donnerstag bis Sonntag.«
»Seit Bens Tod nicht mehr. Es gibt noch genug 35mm-Fans, dass es sich beinah lohnen könnte. Aber an manchen Wochenenden übersteigen die Unkosten die Einnahmen. Dafür wollte ich die Verantwortung nicht übernehmen, seit es in dein Eigentum übergegangen ist.«
Deucalion blickte zur Leinwand auf. Die Samtvorhänge in Gold und Rot hingen unter einer schweren Schicht von Staub und fortschreitendem Schimmel schlaff herunter. »Dann hast du dich also gleichzeitig mit Ben von den Jahrmärkten verabschiedet?«
»Als das Monstrositätenkabinett aus der Mode kam, hat
Ben mich zum Kinomanager gemacht. Ich habe hier meine eigene Wohnung. Ich hoffe, daran wird sich nichts ändern … vorausgesetzt, du willst den Betrieb weiterlaufen lassen.«
Deucalion deutete auf einen Vierteldollar, der auf dem Fußboden lag. »Wenn man Geld findet, ist das immer ein Zeichen.«
»Ein Zeichen wofür?«
Deucalion bückte sich, um die Münze aufzuheben, und sagte: »Kopf, und du bist deinen Job los. Zahl, und du bist deinen Job los.«
»Das sind ja nicht gerade rosige Aussichten.«
Deucalion schnippte die Münze in die Luft und fing sie im Flug auf. Als er die Faust öffnete, war die Münze verschwunden. »Weder Kopf noch Zahl. Das ist doch ein klares Zeichen, meinst du nicht auch?«
Anstelle von Erleichterung darüber, dass er seinen Job und seine Wohnung behalten würde, drückte sich Sorge auf Jellys Gesicht aus. »Ich hatte einen Traum von einem Zauberer. Er besitzt seltsame Gaben.«
»Das ist doch nichts weiter als ein läppischer Trick.«
Jelly erwiderte: »Vielleicht bin ich ja ein bisschen medial veranlagt. Meine Träume werden manchmal in gewisser Weise wahr.«
Dazu hätte Deucalion viel sagen können, doch stattdessen wartete er stumm.
Jelly sah die schimmelnden Vorhänge an, den fadenscheinigen Teppich, die verschnörkelte Decke, alles, solange es bloß nicht Deucalion war. Schließlich sagte er: »Ben hat mir einiges über dich erzählt. Dinge, die nicht so klingen, als könnten sie wahr sein.« Endlich sah er Deucalion in die Augen. »Hast du zwei Herzen?«
Deucalion entschied sich, nicht zu antworten.
»In dem Traum«, sagte Jelly, »hatte der Zauberer zwei Herzen … und in beide wurde ihm ein Messer gestoßen.«
11
Carson wohnte in einer von Bäumen gesäumten Straße in einem Haus, das mit Ausnahme von einer verschnörkelten Veranda, die sich um drei Seiten zog, keine besonderen Merkmale aufwies.
Sie parkte am Straßenrand, weil die Garage mit den Sachen ihrer Eltern voll gestellt war; sie hatte nie die Zeit gefunden, sie zu sortieren.
Auf dem Weg zur Küchentür blieb sie unter einer Eiche stehen, die mit Louisianamoos behangen war. Ihre Arbeit machte sie hart, und oft kam sie tierisch verkrampft nach Hause. Arnie, ihr Bruder, brauchte eine sanfte Schwester. Manchmal schaffte sie es nicht, auf dem Weg von ihrem Wagen zum Haus genug Druck abzulassen. Dann brauchte sie dringend einen Moment für sich.
Hier in der schwülen Nachtluft und dem Duft des Jasmins stellte sie fest, dass sie nicht in den häuslichen Gang umschalten konnte.
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