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Das Gesicht

Das Gesicht

Titel: Das Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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Restaurants vergaben, hätten diese Speise nicht gebilligt, nicht einmal hier im freizügigen New Orleans. Gesundheitliche Risiken konnten ausgeschlossen werden, aber manche Dinge sind eben selbst den tolerantesten Leuten zu exotisch.

    In dem Serviergefäß wanden sich, an den Kohl geschmiegt, zwei Würfe lebender Rattenbabys, die gerade erst geboren worden und noch rosa, unbehaart und blind waren.
    Victor verlieh seiner Wertschätzung und seiner Dankbarkeit auf Chinesisch Ausdruck. Lee Ling verbeugte sich lächelnd, zog sich in die Küche zurück und ließ seinen Gast allein.
    Vielleicht hatte der ausgezeichnete Wein Victors gute Laune wiederhergestellt, aber vielleicht bereitete ihm auch seine eigene außerordentliche Raffinesse ein solches Vergnügen, dass er nicht lange Zeit mürrisch sein konnte. Eines der Geheimnisse, um ein Leben voller großer Errungenschaften zu führen, bestand nämlich darin, sich selbst zu mögen, und Victor Helios alias Frankenstein mochte sich so sehr, dass er es nicht in Worte hätte fassen können.
    Er machte sich genüsslich an den Hauptgang.

50
    Im zweiten Stock des Hände der Barmherzigkeit herrscht Stille.
    Hier werden die Männer und Frauen der Neuen Rasse, die frisch aus den Tanks gekommen sind, den letzten Stadien des Downloads von Daten direkt ins Gehirn unterzogen. Bald werden sie so weit sein, in die Welt hinauszugehen und ihre Plätze unter der dem Untergang geweihten Menschheit einzunehmen.
    Randal sechs wird das Hände der Barmherzigkeit noch eher verlassen als einer von ihnen, noch vor Ende der Nacht. Ihm graut, aber er ist bereit.
    Die Stadtpläne im Computer und die Spaziergänge durch
die virtuelle Realität von New Orleans haben ihn die Nerven verlieren lassen. Sie haben ihn vorbereitet, aber vor allem haben sie ihn zermürbt. Doch wenn er dem Drehgestell entkommen und überleben will, dann darf er nicht noch länger warten.
    Um sich in die gefährliche Welt außerhalb dieser Mauern zu wagen, sollte er eigentlich bewaffnet sein. Aber er hat keine Waffe, und er sieht auch nichts in diesem Raum, was ihm als Waffe dienen könnte.
    Wenn die Strecke, die er zurücklegen muss, weiter ist, als er hofft, wird er Vorräte brauchen. Er hat nichts Essbares in seinem Zimmer, nur das, was ihm zu den Mahlzeiten serviert wird.
    Irgendwo in diesem Gebäude ist eine Küche von beträchtlicher Größe untergebracht. Und eine Speisekammer. Dort würde er die Lebensmittel finden, die er braucht.
    Die Aussicht, sich auf die Suche nach einer Küche zu machen, aus einer überwältigenden Menge von Nahrungsmitteln eine Auswahl zu treffen und Vorräte einzupacken, ist so beängstigend, dass er sich gar nicht erst traut, damit anzufangen. Wenn er sich vorher mit Proviant versorgen muss, wird er die Barmherzigkeit niemals verlassen.
    Daher wird er sich mit nichts anderem als den Kleidungsstücken, die er am Leib trägt, einem frischen Kreuzworträtselheft und einem Stift auf den Weg machen.
    Auf der Schwelle von seinem Zimmer zum Flur befällt ihn Lähmung. Er kann keinen Schritt weitergehen.
    Er weiß, dass die Fußböden dieser beiden Räume auf einer Ebene sind, und doch hat er das sichere Gefühl, dass er in eine mörderische Tiefe stürzen wird, wenn er es wagt, die Schwelle zum Korridor zu überschreiten. Was er weiß , hat im Allgemeinen weitaus weniger Wirkung auf ihn als das, was er fühlt , und genau das ist der Fluch seines Leidens.
    Obgleich er sich immer wieder sagt, eine Begegnung mit
Arnie O’Connor sei vielleicht sein Schicksal, bleibt er stehen, ungerührt und regungslos.
    Seine emotionale Wetterlage verschlechtert sich, als er gelähmt dasteht. Der innere Aufruhr bringt seine Gedanken in Verwirrung, wie ein Windstoß das Herbstlaub zu einer bunten Spirale aufwirbelt.
    Er ist sich akut dessen bewusst, wie schnell dieser innere Aufruhr ihn immer tiefer aufwühlen kann, sich zu heftigem Wind, einem Sturm, einem Unwetter auswachsen kann. Er sehnt sich verzweifelt danach, das Rätselheft aufzuschlagen und die leeren Kästchen mit seinem Stift zu füllen.
    Wenn er diesem Verlangen nach den Wortgittern nachgibt, wird er nicht nur ein Kreuzworträtsel lösen, nicht zwei, sondern das ganze Heft. Die Nacht wird vorübergehen. Der Morgen wird kommen. Er wird den Mut zur Flucht für alle Zeiten verloren haben.
    Schwelle. Flur. Mit einem einzigen Schritt kann er erstere überschreiten und sich in letzteren begeben. Er hat es schon früher getan, doch dieses Mal erscheint es ihm wie

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