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Das Gesicht

Das Gesicht

Titel: Das Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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wirkte der Junge verwirrt.
    »Arnie, woher hast du diese Pennies?«
    Arnie zog eine Karte aus seiner Hemdtasche und starrte sie stumm an.
    Da ihr klar war, dass ihr Bruder die Karte ohne weiteres eine Stunde lang studieren könnte, bevor er sie ihr gab, zog Carson sie behutsam aus seinen Fingern.
    »Was ist das?«, fragte Vicky.
    »Es ist eine Freikarte für einen Kinobesuch in einem gewissen Luxe Lichtspieltheater. Woher hast du diese Karte, Arnie?«
    Arnie warf den Penny wieder in die Luft, und als er ihn im Flug auffing, sagte er: »Jede Stadt hat ihre Geheimnisse …«
    Carson wusste, dass sie diese Worte irgendwo schon einmal gehört hatte …
    »… aber keines ist so grässlich wie dieses.«

    … und sie fröstelte bis ins Mark, als sie vor ihrem geistigen Auge den tätowierten Mann sah, der in Bobby Allwines Wohnung am Fenster gestanden hatte.

49
    Zweihundert Lebensjahre können einen Menschen abstumpfen.
    Wenn er, wie Victor, ein Genie ist, dann führt ihn sein intellektuelles Streben ständig neuen Abenteuern entgegen. Der Geist kann frisch und stets beschäftigt bleiben, während er sich mit zunehmend komplexeren Problemen konfrontiert sieht und sie löst.
    Andererseits lässt die ewige Wiederholung physischer Genüsse frühere Freuden mit der Zeit fad erscheinen. Langeweile setzt ein. Im Lauf des zweiten Jahrhunderts wenden sich die Gelüste eines Mannes zunehmend dem Exotischen zu, dem Extremen.
    Deshalb sind für Victor beim Sex Gewalttätigkeit und die grausame Demütigung seiner Partnerin unerlässlich. Das Schuldbewusstsein, das bei anderen durch Akte der Grausamkeit ausgelöst werden kann, hat er schon vor langer Zeit transzendiert. Brutalität ist ein Aphrodisiakum; die Ausübung roher Gewalt fasziniert ihn.
    Die Welt hat so viele verschiedene Landesküchen zu bieten, dass herkömmlicher Sex viel eher langweilig wird als das Essen; es dauert beträchtlich länger, bis Leibspeisen den Geschmacksknospen fad erscheinen. Erst innerhalb des letzten Jahrzehnts stellen sich bei Victor ab und zu Gelüste auf Speisen ein, die so exotisch sind, dass sie in einer diskreten Umgebung verzehrt werden müssen.

    Es gibt gewisse Restaurants in der Stadt, wo die Besitzer Wert darauf legen, sich das Geschäft mit ihm nicht entgehen zu lassen, wo die Kellner seine großzügigen Zuwendungen zu schätzen wissen und wo die Küchenchefs ihn für seinen einmalig geschulten Gaumen bewundern, und dort arrangiert Victor von Zeit zu Zeit im Voraus eine ganz besondere Mahlzeit. Das Essen wird ihm immer in einem privaten Nebenraum serviert, wo ein Mann mit seinen Ansprüchen genüsslich Gerichte verspeisen kann, die so rar sind, dass sie den ignoranten Massen ekelhaft erscheinen könnten. Er verspürt nicht den Wunsch, den ungehobelten Gästen – und sie sind so gut wie immer ungehobelt – am Nachbartisch seine speziellen Vorlieben zu erklären.
    Das Quan Yin, ein chinesisches Restaurant, das nach der Himmelskönigin benannt ist, hatte zwei private Räumlichkeiten aufzuweisen. Einer dieser Nebenräume eignete sich für eine achtköpfige Gesellschaft. Victor hatte ihn für sich allein reservieren lassen.
    Er aß häufig allein. Mit seinen zweihundert Jahren Lebenserfahrung, an der sich niemand mit der üblichen Lebensspanne messen konnte, war es kein Wunder, dass er sich so gut wie immer in seiner eigenen Gesellschaft am wohlsten fühlte.
    Um seinen Appetit anzuregen und sich Zeit für die Vorfreude auf den exotischen Hauptgang zu lassen, begann er mit einer ganz gewöhnlichen Vorspeise: Klarer Brühe mit Eierstich.
    Bevor er diesen ersten Gang aufgegessen hatte, läutete sein Handy. Überrascht hörte er die Stimme des Abtrünnigen.
    »Mord jagt mir keinen Schrecken mehr ein, Vater.«
    In einem gebieterischen Tonfall, der ihm sonst immer Gehorsam garantierte, sagte Victor: »Darüber musst du persönlich mit mir reden.«

    »Mord bedrückt mich nicht mehr so sehr wie bei meinem letzten Anruf.«
    »Woher hast du diese Nummer?«
    Von dem Anschluss im Hände der Barmherzigkeit , über den ihn die Angehörigen der Neuen Rasse in Notfällen erreichen konnten, wurden keine Gespräche an Victors Handy durchgestellt.
    Anstelle einer Antwort sagte der Abtrünnige: »Mord macht mich noch menschlicher. Im Morden tun sich die Menschen hervor.«
    »Aber du bist etwas Besseres als sie.« Die Notwendigkeit, diese Dinge zu diskutieren, ärgerte Victor. Er war der Herr und Gebieter. Sein Wort war Gesetz, sein Wunsch Befehl, zumindest unter

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