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Das Gesicht

Das Gesicht

Titel: Das Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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eine Entfernung von tausend Meilen.
    Der Unterschied ist natürlich der, dass er bisher nie die Absicht hatte, sich weiter als in diesen Gang hinaus zu begeben. Dieses Mal will er die Welt.
    Schwelle. Flur.
    Plötzlich tauchen Schwelle und Flur vor seinem geistigen Auge als handschriftliche schwarze Buchstaben in Reihen von weißen Kästchen auf, zwei Einträge in einem Kreuzworträtsel, die den Buchstaben l miteinander gemeinsam haben.
    Als er die beiden Wörter sieht, die sich in dieser Form überschneiden, erkennt er deutlicher, dass sich die Schwelle und der Flur auch in der Wirklichkeit auf einer und derselben Ebene überschneiden. Eines mit dem anderen zu verbinden ist nicht schwieriger, als die Kästchen mit Buchstaben zu füllen.
    Er tritt aus seinem Zimmer hinaus.

51
    Der Schimmer einer Straßenlaterne und die schärfer umrissenen Schatten, die sie hervorzauberte, verliehen den geometrischen Mustern der Art-Déco-Fassade des Luxe Lichtspieltheaters mehr Tiefe und dramatischere Effekte.
    Die Anzeigetafel war dunkel, und das Lichtspieltheater schien geschlossen zu sein, wenn nicht gar dauerhaft leer stehend, bis Carson durch eine der Türen lugte. Sie sah einen schwachen Lichtschein hinter der Erfrischungstheke und jemanden, der dort arbeitete.
    Als sie nachsah, ob die Tür sich öffnen ließ, schwang sie nach innen auf. Carson trat ins Foyer.
    Die Glasvitrine mit den Süßigkeiten war beleuchtet, damit man die Waren sehen konnte. Eine rot-weiße Coca-Cola-Leuchtuhr im Art-Déco-Stil an der Wand hinter der Theke rief eine überraschend eindringliche Erinnerung an unschuldigere Zeiten wach.
    Bei dem Mann, der hinter der Theke beschäftigt war, handelte es sich um den Riesen, dem sie in Allwines Wohnung begegnet war. Seine Statur verriet ihn bereits, ehe er sich umdrehte und sein Gesicht zeigte.
    Sie klatschte die Freikarte auf die Glastheke. »Wer sind Sie?«
    »Das habe ich Ihnen doch schon gesagt.«
    »Ich konnte Ihren Namen leider nicht verstehen«, sagte sie mit gepresster Stimme.
    Er war gerade dabei gewesen, die Popcornmaschine zu reinigen. Jetzt wandte er dem Gerät seine Aufmerksamkeit wieder zu. »Ich heiße Deucalion.«
    »Mit Vornamen oder mit Nachnamen?«
    »Mit Vor- und Nachnamen.«
    »Sie arbeiten hier?«
    »Das Kino gehört mir.«

    »Sie haben einen Polizeibeamten tätlich angegriffen.«
    »Ach ja? Sind Sie verletzt?« Er lächelte, und zwar nicht sarkastisch, sondern mit erstaunlicher Herzlichkeit, wenn man sein Gesicht bedachte. »Oder war es vielleicht Ihre Selbstachtung, die Schaden davongetragen hat?«
    Seine Gelassenheit beeindruckte sie. Seine Furcht einflößende Größe war nicht der Grund für seine Selbstsicherheit; er war kein brutaler Kerl, der andere einschüchtern wollte. Stattdessen näherte sich seine stille Art eher der tieferen Gemütsruhe an, die sie mit Mönchen in ihren Kutten mit Kapuze in Verbindung brachte.
    Aber auch manche Soziopathen waren heiter und gelassen, so gefasst wie Springspinnen, die in ihren Verstecken auf Beute lauerten, um auf sie zu hüpfen.
    Sie fragte: »Was hatten Sie in meinem Haus zu suchen?«
    »Nach dem Bild, das ich mir von Ihren Lebensumständen gemacht habe, glaube ich, dass ich Ihnen vertrauen kann.«
    »Weshalb sollte es mich einen feuchten Kehricht interessieren, ob Sie mir vertrauen? Halten Sie sich von meinem Haus fern.«
    »Ihr Bruder ist eine schwere Last. Und Sie tragen sie mit großer Bereitwilligkeit.«
    Alarmiert entgegnete sie: »Halten Sie sich aus meinem Leben raus. Da haben Sie nichts zu suchen.«
    Er legte das feuchte Tuch hin, mit dem er die Popcornmaschine ausgewischt hatte, und nur die Vitrine mit den Süßigkeiten war zwischen ihnen, als er sich wieder zu ihr umdrehte.
    »Ist das wirklich das, was Sie wollen?«, fragte er. »Sind Sie ganz sicher? Wenn es nämlich das wäre, was Sie wollen, weshalb sind Sie dann hergekommen, um sich den Rest der Geschichte anzuhören? Sie sind nämlich nicht bloß hier, um mir zu sagen, dass ich mich von Ihnen fern halten soll. Sie sind mit Fragen zu mir gekommen.«

    Sein Scharfblick und seine leise Belustigung vertrugen sich nicht mit seinem brutalen Äußeren.
    Als sie ratlos dastand, sagte er: »Ich will weder Ihnen noch Arnie Böses. Ihr Feind ist Helios.«
    Sie blinzelte überrascht. »Helios? Victor Helios? Der Besitzer von Biovision, ein großer Philanthrop?«
    »Er besitzt tatsächlich die Arroganz, sich ›Helios‹ zu nennen, nach dem griechischen Sonnengott. Helios … der

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