Das Gespinst des Bösen
an der Tatsache, dass Maria Magdalena, ob sie nun Mrs. Christus war oder nicht, die Göttinnenfigur repräsentiert, die vom männlich dominierten Christentum unterdrückt wurde.»
Janes Argumentationskraft war beachtlich, aber an diesem Punkt waren sie schon oft angekommen.
«Also … ich akzeptiere ja, dass es da ein verstecktes weibliches Prinzip geben könnte. Was ich nicht akzeptiere, ist, dass Jesus und Maria Magdalena ein Paar waren, eine Familie gegründet haben. Dafür gibt es, wenn man es sich genau anschaut, überhaupt keinen glaubhaften Beleg.»
«Oh, Mom, warum willst du dem armen Kerl ein Sexleben absprechen?»
«Da hast du’s.
Dem Kerl.
Wenn er nur ein Kerl war, nur ein weiterer Prophet, der nicht wiederauferstanden, nicht in den Himmel aufgefahren ist … wenn du ihm seine
Göttlichkeit
streitig machen willst …»
«Ich will überhaupt niemandem seine Göttlichkeit streitig machen, ich finde Göttlichkeit ganz groß. Ich kapier nur nicht, warum Frauen nicht auch daran Anteil haben können, ob es nun Maria Magdalena ist oder die Jungfrau Maria.»
«Lass uns jetzt nicht streiten. Fahr hier lieber langsam.»
Vielleicht sollte sie besser selbst fahren, die Straße erwies sich als schwer überschaubar.
Jane blickte zu einem Wegweiser, der herumgedreht worden zu sein schien, sodass
Garway
auf ein Feld zeigte.
«Garway und Garway Hill sind also nicht dasselbe, ja?»
«Sieht so aus. Ich dachte, die Kirche und die paar Cottages in der Nähe wären das Zentrum, aber das stimmt offenbar nicht. Es stehen an verschiedenen Stellen ein paar Häuser … ziemlich verwirrend.»
Nach ein, zwei Kilometern öffnete sich die Landschaft, und sie befanden sich zwischen wie zufällig verteilten modernen Häusern. Vor ihnen erstreckte sich eine Wiese mit einem Kinderspielplatz. Auf der anderen Seite der Straße, die neben der Wiese verlief, befand sich ein Pub mit einem schaukelnden Schild: ein Vollmond in der Dämmerung.
DER MOND VON GARWAY
«Cooles Schild», sagte Jane. «Künstlerisch. Irgendwie heidnisch.»
«Warum muss der Mond immer heidnisch sein?»
«Sag du es mir. Hat die Bibel etwa viel über ihn zu melden?» Jane lehnte sich im Fahrersitz zurück. «Das ist genau mein Ort, Mom. Es ist, als wäre es Grenzland. Am Rand.»
«Es
ist
Grenzland. Die Hügel da gehören zu Wales.»
«Ich meinte
Grenze
in einem tieferen Sinn. Die Tempelritter ziehen her, Mönche mit Pferden und Schwertern, und sie drücken der ganzen Gegend ihren Stempel auf. Verleihen ihr etwas Mysteriöses. Ich meine,
warum hier draußen?
Es sei denn … vielleicht hielten sie es für einen wirklich guten, unbekannten Ort, um Geheimnisse zu verbergen und obskure Praktiken zu … praktizieren.»
«Oder es war einfach eine Landschenkung an den Orden. Vielleicht gibt es keinen besseren Grund.»
«Es gibt immer einen besseren Grund», sagte Jane.
«Für dich, Spatz, muss es immer einen geben.»
«Nenn mich nicht ‹Spatz›. Und sag nicht, du wärst nicht auch neugierig.»
«Ich kann neugierig sein, ohne gleich das ganze modische Gnostizismus-Zeug zu unterschreiben.»
Jane verlangsamte das Tempo, als die Straße auf der einen Seite an einer modern aussehenden Grundschule und auf der anderen an einem heruntergekommenen Gemeindezentrum vorbeiführte.
«Ich versteh nicht, was am Gnostizismus so verkehrt ist. Er besagt doch nur, dass Glaube allein nicht genug ist. Die Gnostiker wollten
wissen
. Sie wollten direkte Erfahrung, von der Wirklichkeit, von … etwas da draußen. Gott. Was auch immer. Ich verstehe nicht, warum du damit ein Problem hast.»
«Wie auch immer …» Nicht jetzt. Zu gewichtig, dieses Thema. «… Ich hätte gedacht, du lebst schon lange genug in der Provinz, um zu wissen, dass sie absolut der
schlechteste
Ort ist, um ein Geheimnis zu bewahren.»
«Ja, heutzutage. Aber im Mittelalter schon, als kaum jemand lesen konnte.»
«Die Tempelritter eingeschlossen. Die meisten Tempelritter scheinen Analphabeten gewesen zu sein.»
«Mom, sie waren internationale Banker! Die Menschen konnten Geld in einem Ordenshaus lagern und es sich in einem anderen auszahlen lassen.»
«Seit wann muss man dafür lesen können?»
Jane fuhr auf den Rasenstreifen, um einen Traktor vorbeizulassen.
«War das o.k.?»
«Du hättest nur vorher blinken sollen, damit er weiß, was du vorhast. Warum fährst du überhaupt hier hoch?»
Jane hatte unerklärlicherweise eine Abzweigung genommen, die den Hügel
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