Das Gespinst des Bösen
Rest.»
«Er wurde von den Tempelrittern gebaut?»
«Wahrscheinlich. Und dann von den Johannitern wieder aufgebaut, die Garway übernommen haben. Los, lies.»
Jane stand auf. Merrily setzte sich.
Auf dem Hof neben der alten Kirche von Garway mit ihrem (halb) getrennt stehenden Turm gibt es einen riesigen Taubenschlag … Die Einfluglöcher belaufen sich auf beunruhigende 666 .
«Oh.»
«Wann fährst du wieder hin?», sagte Jane. «Und kann ich mitkommen?»
Als sie nach oben ging, um Jeans und Sweatshirt anzuziehen, nahm Merrily ihr Handy mit und versuchte es vom Schlafzimmer aus noch mal bei Felix.
Sie war jetzt unsicher, wie sie die Sache am besten angehen sollte. Es wendete sich alles unmerklich, M. R. James wurde selbst zum Mitspieler, siebzig Jahre oder so nach seinem Tod.
Und was den Taubenschlag betraf … wenn er bereits seit fast achthundert Jahren dort stand, war es ein bisschen spät, sich Sorgen um die Bedeutung der 666 Taubenkammern zu machen.
«Der Teilnehmer ist zurzeit nicht erreichbar. Sie haben nach dem Signalton die Möglichkeit, eine Nachricht zu hinterlassen …»
«Felix, hier ist Merrily. Könnten Sie oder Fuchsia mich bitte anrufen. Ich muss mit Ihnen über …» Sie zögerte. «Über das Gesicht aus zerknittertem Leinen sprechen.»
Sie knüllte ihre Soutane in den Wäschekorb und zog Jeans und das Gomer Parry-Sweatshirt an. Der Wecker zeigte dreizehn Uhr vierzig. Die Meditation war um neunzehn Uhr dreißig. Sie schluckte im Bad zwei Paracetamol, ging wieder nach unten und fand Jane immer noch in der kalten Küche.
«Triffst du dich heute gar nicht mit, ähm …
Coops
?»
Jane schüttelte den Kopf. Sie sah nicht mehr so glücklich aus, ihr Gesicht war leicht gerötet.
Ihr Leben war voller Wegscheiden.
«Also, willst
du
fahren?», fragte Merrily.
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Teil zwei
Dies ist wildes Grenzland und vermittelt einem das Gefühl, Barbaren würden sich an der nahen Grenze herumtreiben …
Simon Jenkins über Garway,
England’s Thousand Best Churches
14 Wie oben …
Was Jane über die Tempelritter wusste, entstammte, natürlich, dem Heidentum. Bei Janes Heidentum ging es vor allem darum, dem Christentum ordentlich in den Hintern treten zu können.
Merrily beobachtete sie beim Fahren, gerader Rücken, die Hände am Lenkrad wie im Lehrbuch, kaum dass sie einmal blinzelte. Sie musste daran denken, wie Jane vor ein paar Jahren mit bleichem Gesicht am Türrahmen gestanden und ihre Beziehung in die Steinfliesen getrampelt hatte.
Deine Kirche interessiert überhaupt niemanden. Deine Gottesdienste sind doch lächerlich. In zwanzig Jahren haltet ihr euch gegenseitig Predigten. Du spielst keine Rolle mehr, du spielst seit Jahren keine Rolle mehr. Mir ist es peinlich, irgendwem zu sagen, was du machst.
Ihre Wut war verraucht, die Spannungen hatten sich längst gelegt, aber Janes heidnische Instinkte waren geblieben – zahmer, das sicher, aber sie nährten immer noch etwas in ihr, das erfahrungshungrig war; oben in ihrem Dachbodenapartment las sie immer noch Bücher über die alten Gottheiten.
«Ich meine, es gilt seit Jahrhunderten als akzeptiert, dass die Tempelritter Geheimnisse hüteten – unter anderem das um den Heiligen Gral. Und wer könnte das besser? Sie waren geistliche Krieger. Sie haben ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um heilige Wahrheiten zu schützen.»
Sie kamen von Osten, man fühlte sich dabei weniger, als käme man durchs Hintertürchen nach Garway, und es gab bessere Straßen für Jane, die hoffte, vor Weihnachten ihre Fahrprüfung zu machen.
Jane schaltete wegen eines plötzlichen Gefälles herunter und ließ die Kupplung schleifen.
«’tschuldigung …»
«Macht doch nichts.»
Jane gab Gas, und der zitternde Volvo keuchte und protestierte wie ein altersschwacher Hund, der von einem lebhaften Kind zum Spaziergang gezwungen wird.
«Also, in
Der Heilige Gral und seine Erben
geht es darum, dass der Gral das unterdrückte weibliche Prinzip ist, das von Maria Magdalena verkörpert wird, die wiederum Jesu andere Hälfte war … guck mich nicht so an, Mom.»
«Du weißt ja gar nicht, wie ich dich angucke, dein Blick ist nämlich die ganze Zeit auf die Fahrbahn gerichtet.»
«Ich spüre deine selbstgerechte Ablehnung trotzdem.»
«Das ist nicht selbstgerecht, und es ist keine Ablehnung. Es ist nur so, dass all das in Verruf geraten ist. Sogar die Autoren sagen inzwischen, sie hätten nur eine Theorie getestet.»
«Das ändert nichts
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