Das Gestaendnis des Scheichs
Gefühl für sie. In den vergangenen Monaten war sie wie betäubt gewesen. Nun freute sie sich plötzlich darauf, dem Fremden möglicherweise wiederzubegegnen.
Aber würde er überhaupt da sein?
Punkt zwölf Uhr nachts verließ Ella ihr Haus und eilte über den zugewachsenen Pfad zum Strand. Enttäuschung durchzuckte sie, als sie sah, dass der Fremde nicht erschienen war. Sie seufzte angesichts ihrer Naivität, ging langsam zum Wasser hinunter und dann in dieselbe Richtung wie in der vergangenen Nacht.
„Ich war mir nicht sicher, ob Sie kommen würden“, sagte plötzlich eine ihr bekannte Stimme hinter ihr. Sie drehte sich unvermittelt um und bemerkte, dass er dieses Mal kein Gewand trug, sondern eine dunkle Hose und ein weißes Hemd.
„Ich gehe hier oft um Mitternacht spazieren“, erklärte sie etwas abweisend, denn er sollte nicht glauben, sie sei seinetwegen gekommen.
„Ich auch, aber hauptsächlich, weil es tagsüber zu heiß ist.“
„Und weil Sie nicht zur Ruhe kommen können?“
Er passte seinen Schritt ihrem an.
„Auch das kann der Fall sein“, gab er zu. „Haben Sie auch damit Probleme?“
„Manchmal.“ Sie fühlte sich mit einem Mal ungewohnt befangen. Ihr Herz schlug schneller, und ein seltsames Hochgefühl überkam sie. „Konnten Sie denn nach Ihrer langen Reise einigermaßen gut schlafen?“
„Ein paar Stunden reichen mir.“
„Im Urlaub kann man sich endlich mal so richtig gehen lassen und sich erholen“, sagte sie und überlegte, wie sie mehr über ihn erfahren konnte, ohne neugierig zu wirken.
„Auch dann brauche ich nur wenig Schlaf. Aber ich bin nicht zur Erholung hier.“
„Oh, nach allem, was Sie gestern …“ Sie unterbrach sich.
„Obwohl ich gerade einen Auftrag auf einem Ölfeld in der Wüste beendet habe, bin ich in einer geschäftlichen Angelegenheit hier, einer privaten sozusagen.“
„Oh.“ Wie lange würde die Abwicklung dauern? Würden sie sich noch einmal sehen? Genau genommen hatte sie ihn ja noch gar nicht richtig gesehen. Dazu war es auch jetzt zu dunkel. Gleichwohl genoss sie es, neben ihm am Strand entlang zu gehen. Auch wenn es nur noch dieses eine Mal sein sollte.
„Ich muss nachdenken und dann eine Entscheidung treffen“, nahm er das Gespräch nach einer Weile wieder auf.
„Hm.“
„Sie sprechen arabisch, aber Sie sind nicht von hier, habe ich recht?“, fragte er.
Sie schüttelte den Kopf. „Ich habe viele Jahre lang die Sprache gelernt und verstehe alles sehr gut. Mache ich etwa Fehler?“
„Nein, Sie haben nur einen leichten Akzent. Woher kommen Sie?“
„Aus Italien. Aber ich war lange nicht mehr dort. Mein Zuhause ist hier.“
„Sind Sie mit Ihrer Familie hier?“
Sie zögerte zu antworten. War es klug, einem Fremden zu erzählen, dass sie allein lebte? „Denken Sie, ich brauche eine Anstandsdame?“, fragte sie ausweichend.
„Wohl eher nicht. Wie alt sind Sie?“
„Alt genug.“ Sie blieb stehen, sah zu ihm auf und wünschte, sie könnte seine Gesichtszüge besser erkennen. „Ich bin Witwe und brauche schon lange niemanden mehr, der auf mich aufpasst.“
„Sie klingen nicht alt genug, um verwitwet zu sein.“
„Manchmal fühle ich mich aber wie hundert.“ Niemand sollte mit achtundzwanzig seinen Ehemann verlieren. Leider war das Leben nicht immer fair.
„Das tut mir leid für Sie“, sagte er sanft.
Sie ging weiter, lauschte den Wellen und spürte den nassen Sand unter ihren Füßen und die Energie, die der Mann an ihrer Seite ausstrahlte. Wie alt mochte er sein? Es war schwer einzuschätzen. Er klang dynamisch und noch jung.
„Danke.“ Sie wusste nie, was sie auf Beileidsbekundungen erwidern sollte. Er hatte ihren Mann nicht gekannt und konnte sich bestimmt nicht vorstellen, wie sehr sie ihn geliebt hatte. Niemand würde je in der Lage sein, nachzuempfinden, was der Verlust für sie bedeutete. Ob er wohl auch einen geliebten Menschen verloren hatte?
Sie gingen eine Weile schweigend nebeneinander her. Schließlich fragte sie: „Was hatten Sie denn auf dem Ölfeld zu tun?“
„Ich berate Bashiri-Öl bei der Erschließung neuer Quellen. Außerdem ist meine Firma darauf spezialisiert, brennende Ölfelder zu löschen.“
„Tatsächlich?“ Sie war verblüfft.
Sie hatte Fotos von brennenden Ölquellen gesehen. Dabei schossen die Flammen oft mehrere hundert Meter in die Höhe. „Gibt es überhaupt einen gefährlicheren Job auf Erden?“
Er lachte leise. „Ich denke schon. Es ist nicht einfach, aber
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