Das Gestaendnis des Scheichs
Rauschen des Meeres taten ein Übriges. Wo blieb denn nur der Mann?
Schließlich hörte sie ihn aus dem Wasser kommen. Sie stand auf und beobachtete, wie er seine Kleidung aufhob.
„Sie sind noch hier?“
„Sie haben mich doch zu Ihrer Aufpasserin abgestellt. Haben Sie Ihr nächtliches Bad genossen?“
„Ja, nach der Hitze in der Wüste war es wunderbar.“ Er trocknete sich kurz mit seinem Gewand ab und zog es dann über.
Sie wandte sich zum Gehen. „Dann also gute Nacht.“
„Danke, dass Sie so lange ausgeharrt haben.“
„Ich weiß nicht, ob ich im Notfall tatsächlich hätte helfen können“, sagte sie.
„Soll ich Sie nicht lieber begleiten?“
„Nein, danke“, lehnte sie sein Angebot ab. Schließlich kannte sie den Mann nicht, außerdem wollte sie nicht, dass er erfuhr, wo sie wohnte und dass sie allein lebte.
„Vielleicht bin ich morgen wieder hier“, meinte er.
„Ich möglicherweise auch“, erwiderte sie und lief dann auf einen Pfad zu, der nicht direkt zu ihrem Haus führte. Der Fremde brauchte nicht zu wissen, wo ihre Bleibe war. Nur wenig später betrat sie das Grundstück, auf dem ihr gemietetes Häuschen stand.
Khalid sah ihr nach, bis sie seinem Blickfeld entschwunden war. Er hatte keine Ahnung, wer die Frau war und warum sie sich nach Mitternacht an einem verlassenen Strand aufhielt. Er warf einen letzten Blick auf das Meer, in dem sich das Licht der Sterne spiegelte. Dann wandte er sich um und ging zu dem Haus, das seine energische Großmutter ihm im vergangenen Sommer vererbt hatte. Ihr Tod war ein schwerer Schlag für ihn gewesen. Wie ein Fels in der Brandung war sie stets für ihn da gewesen, hatte ihm zugehört, wenn er Probleme hatte, und ihn immer unterstützt. Wie oft hatte sie ihn ermahnt, wieder mehr unter Menschen zu gehen. Doch in diesem Punkt hatte er nicht mit sich reden lassen.
Die Fremde vom Strand kam ihm wieder in den Sinn. Er hatte in der Dunkelheit nicht viel von ihr erkennen können. Sie war nicht sehr groß gewesen, und ihre Stimme hatte jung geklungen. Er vermutete, dass sie schlank war. Dabei wollte er sich gar nicht für sie interessieren, zumal ihm bewusst war, wie hässlich seine vernarbte Gesichtshälfte war. Die Reaktionen seiner Mitmenschen waren eindeutig gewesen. Selbst seine Verlobte Damara hatte ihn nach dem Unfall auf dem brennenden Ölfeld verlassen.
Sein Bruder Rashid versicherte ihm zwar immer wieder, wie froh er sein könne, eine Frau loszusein, die nach einer solchen Tragödie nicht zu ihm gehalten hatte. Doch obgleich er seinem Bruder recht geben musste, hatte er sich immer mehr in sein Schneckenhaus zurückgezogen.
Er wusste, dass er besser in die Wüste passte, in eine Gegend, die zu unwirtlich für Frauen war. Die Männer, mit denen er dort zusammenarbeitete, akzeptierten ihn um seiner selbst willen.
Er war mit seinem Leben zufrieden. Sein einziges Problem war das Haus, das er von seiner Großmutter geerbt hatte. Es stand seit einem Jahr leer. Immer wieder hatte er die Entscheidung, wie es damit weitergehen sollte, aufgeschoben, bis der Schmerz über den Verlust erträglich geworden war.
Schnellen Schritts ging er jetzt über den Strand zu dem Pfad, der zu seinem Grundstück führte. Das Haus, so nah am Meer, inmitten eines großen Gartens mit Gästedependance und jeder Menge Platz, war für eine Familie geradezu ideal. Auf dem Rasen sollten Kinder spielen, wie einst sein Bruder und er. Und vor ihnen sein Vater mit seinen Brüdern.
Er stellte sich vor, dass wieder jemand Blumen pflückte und die Sträuße in den Räumen verteilte. Überall sollte es von fröhlichen, lachenden Stimmen widerhallen. So wie früher, wenn er und Rashid die Großeltern besucht hatten.
Doch nun war das Anwesen, von einigen Dienstboten abgesehen, unbewohnt. Und so würde es bleiben, wenn er es nicht verkaufte. Sein Apartment in Alkaahdar genügte ihm völlig.
Von einem Strauch, den er im Vorbeigehen streifte, stieg ihm ein betörender Duft nach Jasmin in die Nase. Die Luft hier war so anders als die trockene in der Wüste. Sofort fühlte er sich in seine Kindheit zurückversetzt, als sein Vater und auch seine Großmutter noch gelebt hatten. Durch einen Schicksalsschlag würde ihm ein glückliches Familienleben, wie er es damals kennengelernt hatte, für immer verwehrt bleiben.
Dennoch bereute er nichts. Er hatte seine Pflicht getan und Leben gerettet. Narben waren dagegen nichts.
Er betrat das Haus durch die angelehnte Terrassentür. Es war spät
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