Das Gewicht der Liebe
gewesen.«
Franny öffnete den Mund und schloss ihn dann wieder. »Ogottogott, das habe ich ganz vergessen. Was hat der Arzt gesagt?«
Simone starrte Franny an, als käme sie vom Mars und spräche in einer unbekannten Sprache.
»Ist das Baby okay?«
Vom Spielplatz neben dem Haus schabten die schrillen Schreie der Zwillinge wie Zinken einer Gabel an Simones Trommelfell. Sie sank auf das Sitzkissen neben der Polstergarnitur und ließ den Kopf nach vorne zwischen ihre Knie sinken.
»Oh. Wieder ein Mädchen? Das tut mir so leid, Simone. Wirklich. Ich weiß, Sie wollten …«
»Jedenfalls werde ich heute keinen Fuß mehr in eine Arztpraxis setzen. Das werden Sie übernehmen müssen.«
»Er wird mich nicht empfangen.«
Dr. Omar hatte eine Warteliste voll junger Eltern, die offenbar bereit waren, alles stehen und liegen zu lassen, um für ihre Sprösslinge einen Termin bei ihm wahrzunehmen. Mit einer Nanny würde er sich unter gar keinen Umständen abgeben.
»Haben Sie meine Mutter beim Verlassen des Hauses gesehen? Was hatte sie an? War sie zurechtgemacht?«
»Sie sah fantastisch aus.«
»Rufen Sie sie auf dem Handy an, sagen Sie ihr, dass hier ein Notfall ist und sie unbedingt kommen muss.«
Olivias Schweiß und Tränen hatten einen feuchten Fleck auf Frannys weißem T-Shirt hinterlassen. »Das ist nicht meine Aufgabe.«
»Ihre Aufgabe, meine Aufgabe, wen schert das schon?« Faul und aufsässig: Die Liste mit Frannys Fehlern war mittlerweile so lang, dass Simone die einzelnen Punkte würde aufschreiben müssen, um sie nicht zu vergessen. Simone würde Franny gern damit konfrontieren, aber so, wie sie sich im Moment fühlte, schaffte sie das nicht. Wenn sie sich nicht innerhalb der nächsten fünf Minuten hinlegte, würde sie wie ein Taschenmesser zusammenklappen.
»Ich habe Kopfschmerzen, Franny.«
»Sie sind wahrscheinlich dehydriert.« Franny begeisterte sich für diesen Gedanken. »Davon kann man üble Kopf schmerzen kriegen. Trinken Sie ein Glas Wasser, und ruhen Sie sich aus. Ich werde Ihnen etwas zu essen bringen, wenn die Mädchen ihr Mittagessen kriegen. Danach hätten Sie noch Zeit für ein Nickerchen, und ich würde Sie dann gegen zwei wecken.«
Herrisch wie ein knutenschwingender Viehtreiber.
»Wir könnten alle Kinder in den Cayenne laden und zusammen nach Mission Bay fahren, wenn Sie bei Dr. Omar fertig sind.«
»Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich nicht zu dem verdammten Kinderarzt gehen werde. Sehen Sie mich nicht so an. Sie sind das Kindermädchen. Es ist Ihre Aufgabe, sich um solche Dinge zu kümmern. Nerven Sie diese Krankenschwester einfach so lange, bis sie klein beigibt.«
Sie wussten beide, dass es nicht funktionieren würde.
»Oder geben Sie sich bei der Krankenschwester als Mrs. Duran aus. So beschäftigt, wie sie ist, wird ihr das gar nicht auffallen. Das ist kein Verbrechen. Ich gebe Ihnen mein Einver…«
Simone vernahm einen Schrei, dann das Geräusch von rennenden Schritten auf dem Kies und drehte sich zur Trep pe um. Sie wollte nicht wissen, was da draußen passiert war. Sie könnte es nicht ertragen, hierzubleiben und mit anhören zu müssen, wie die Zwillinge und Merell aufeinan der herumhackten. Doch bevor sie die Flucht ergreifen konnte, stürmte Merell durch die Schiebetür herein und verkündete, sie könne nichts dafür.
»Victoria ist vom Karussell gefallen, aber es war nicht meine Schuld. Sie hat sich nicht festgehalten.«
»Du lügst!«, kreischte Valli. »Sie war das, Franny. Sie war das. Ich hasse Merell.« Sie trat ihrer Schwester ins Schienbein.
»Aufhören, und zwar alle beide!« Franny verlagerte Olivia von ihrer Schulter auf die Hüfte. »Nicht treten, Valli.«
Simone starrte ihre Töchter an, rasende kleine Todesfeen, die immer nur herumrannten und kreischten und weinten und sich beschwerten. Ihr Anblick und der Lärm, den sie erzeugten, widerten sie auf eine Art an, die tiefer ging als einfache Abneigung. Ihr ganzer Körper verlangte danach, sie abzustoßen, beinahe so, als hinge sein Überleben davon ab, der ansteckenden Seuche, die sie in sich trugen, zu entfliehen. In diesem Moment kam Victoria heulend von draußen herein und warf sich gegen Simones Beine, schmiss sie beinahe um.
Merell sagte: »Ich habe nichts Böses getan, Mommy.«
»Sie schiebt zu schnell an«, sagte Valli.
Ihre Stimmen hatten Finger, Finger mit Klauen, die Si mones Schädel wie eine Orange Stück für Stück aufbrachen.
Merell sagte: »Wenn ich das Karussell zu langsam
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