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Das Gewicht der Liebe

Das Gewicht der Liebe

Titel: Das Gewicht der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Campbell Drusilla
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hier draußen in dem verzauberten Wald zu sein, aber gleichzeitig melancholisch. »Melancholie« war eines ihrer Lieblingswörter. Sie hatte es in einem Buch entdeckt, es nachgeschlagen und sofort genau verstanden, was es bedeutete. Traurig im Kopf und im Herzen und im ganzen Körper.
    Johnny ging mit gesenktem Kopf und so eilig, dass Roxanne kaum nachkam, obwohl er nur halb so große Schritte mach te wie sie. Er schien wild entschlossen, den Kramladen so schnell wie möglich zu erreichen. Aber sobald der Laden in Sicht kam, wurde sein Schritt langsamer, und schließlich blieb ihr Schwager stehen. Einen Moment verharrte er reglos auf der Stelle, starrte auf das »Geschlossen«-Schild in der Auslage.
    »Die Zwillinge werden enttäuscht sein.« Er hatte ihnen versprochen, ihnen eine bestimmte Süßigkeit mitzubringen, die nur in diesem Laden verkauft wurde. Achselzuckend gestand er Roxanne dann, der Spaziergang zum Laden sei nur eine Ausrede gewesen, um aus dem Haus zu kommen. Beide sahen sie zu, wie Merell in eine Seitenstraße abbog, die zu einem der wenigen Strandabschnitte des Sees hinunterführte. Sie folgten ihr ein paar Schritte, ehe Johnny erneut stehen blieb. Im schwindenden Tageslicht sah er aus wie zwei Männer, deren Gesichter sich überlagerten, der eine Mann jung und attraktiv, der andere verhärmt und alt.
    »Was soll ich tun? Sag es mir, Roxanne. Hilf mir.« Er sank gegen einen Baum und schlug die Hände vor das Gesicht. »Ich weiß nicht, wie lange ich das noch ertragen kann.«
    Er wollte, dass sie ihn bemitleidete, doch das konnte sie nicht, obgleich sie genau wusste, was er meinte. Eingesperrt im Haus, war Simones gequälter Geist ansteckend. Aber wie sollte ihr Johnny leidtun, wenn doch er derjenige war, der auf immer mehr Kindern bestand, um endlich sein Wunschkind zu bekommen, einen Sohn?
    Er sagte: »Sie war nicht immer so. Weißt du noch? Am Anfang war sie perfekt. Ich war der glücklichste Mann auf dem Planeten.«
    Sie beobachteten, wie Merell, begleitet von dem neben ihr herspringenden Chowder, über die mit Schlaglöchern übersäte Straße holperte, das erste Kind einer perfekten Ehefrau und des glücklichsten Mannes auf dem Planeten.
    Er sagte: »Ich kenne eine Seite von Simone, die niemand sonst kennt. Nicht einmal du, Rox. Sie und ich, wir hatten so viel Spaß zusammen. Sie brachte mich zum Lachen …«
    Er ging zur Hauptstraße zurück, wo sie auf Merell warteten.
    »Du musst dafür sorgen, dass sie Hilfe erhält, Johnny.«
    »Hilfe? Sie hat eine Zugehfrau, und ich bezahle Nanny Franny mehr, als ich meiner Sekretärin bezahle.«
    »Ich meine, dass sie eine Therapie machen sollte. Bei einem guten Therapeuten.«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, das kommt nicht infrage. Als wir uns neulich über Merell unterhielten, habe ich dir doch gesagt, dass …«
    »Ich weiß, was du gesagt hast, aber das ändert nichts an den Tatsachen.«
    »Ich bin ein altmodischer Mann, Roxanne.« Aus der Art, wie er das sagte, war ihr klar, dass er »altmodisch« und »überlegen« für Synonyme hielt. »Ich will nicht streiten und ich will nicht der gemeine Kerl sein, und ich bin es so verdammt leid, mir ständig Sorgen um Simone zu machen. Ich könnte sie zu allen Therapeuten der Welt schicken, und sie würden ihr alle nicht guttun. Psychologie ist keine Wissenschaft. Im Grunde ist es nichts anderes als professionelle Neugier.«
    Jeder Versuch, ihn von seiner Meinung abzubringen, hatte in etwa so viel Aussicht auf Erfolg, wie mit dem Kopf gegen die Chinesische Mauer anzurennen.
    »Hör zu«, sagte sie, sich der Mauer aus einer anderen Richtung nähernd. »Es gibt da eine Sache, über die ich nachgedacht habe. Wusstest du, dass Simone früher gesegelt ist?«
    »Da war so ein Knabe, der ihr überall auf dem Boot nachgestiegen ist, bis sie, einfach nur um den Typen loszuwerden, das Segeln aufgeben musste.«
    Shawn Huttons Geschichte in einer überarbeiteten Version.
    »Ich glaube, wenn du ihr sagen würdest, sie könnte …«
    »Segeln? Sie?«
    »Sie könnte doch zusammen mit Merell Segelstunden nehmen.«
    »Merell, klar, kein Problem. Aber Simone, ausgeschlossen.«
    »Warum?«
    »Ich liebe meine Kinder, Roxanne, aber ich möchte sie nicht allein großziehen. Außerdem habe ich sie hier schon einmal auf dem Boot mitgenommen, und sie ist wie ein Häufchen Elend in der Ecke gesessen.«
    »Sie mag Süßwasser nicht.«
    »Wasser ist Wasser. Wenn sie gern segeln würde, wenn das kein leeres Gerede wäre, dann würde

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