Das Gewicht der Liebe
ihrer Windel beschmiert. Simone ging rückwärts aus dem Kinderzimmer heraus, schrie nach Celia.
»Ich kann das nicht machen. Ich bin schwanger. Ich würde mich übergeben.«
»Babys sind nicht mein Job.« Schweiß glänzte auf Celias Stirn und kräuselte ihr dunkles Haar. »Johnny hat gesagt, ich muss nicht babysitten.«
»Das ist Putzarbeit. Das Bett … die Wand …« Simone sah Celia an, wie diese angestrengt nachdachte. »Okay, fangen Sie mit Olivia an. Stecken Sie sie in die Badewanne.«
»Wer wird in der Wanne auf sie aufpassen?«
»Das weiß ich nicht. Sie, nehme ich an. Sie könnten sich endlich mal hinsetzen. Eine kleine Ruhepause einlegen.«
»Ich hab Ihnen gesagt …«
Normalerweise hätte Simone jetzt losgebrüllt und anschließend geweint, doch sie zügelte diesen Impuls, weil der heutige Tag ein Neubeginn sein musste. Ein Gedanke blitzte in ihrem Kopf auf. Wenn dies kein Neubeginn war, was war es dann? Ein Ende?
Sie bemühte sich, etwas Stahl in ihre Stimme zu legen. »Ich kann das nicht machen, Celia.«
»Ich muss noch Mr. Johnnys Arbeitszimmer saugen, und danach muss ich in den Supermarkt gehen.«
»Merell schreibt eine Einkaufsliste.«
»Ich hab meine eigene Liste.« Celia warf einen Blick auf die Tür zu Olivias Zimmer und rümpfte die Nase. Ein halbes Lächeln pflügte ein Grübchen in ihre Wange. »Dieses Baby. Hat eine Riesenschweinerei gemacht.«
»Sie wussten es? Sie waren im Zimmer, haben es gesehen und sind dann einfach wieder gegangen?«
»Mrs. Duran, ich hab auch ohne Babysitten genug zu tun.«
»Ich gebe Ihnen zwanzig Dollar extra.«
»Es geht nicht ums Geld …«
»Und noch mal zwanzig, wenn Sie mir Olivia eine Weile vom Leib halten.«
»Mr. Johnny mag es nicht, wenn das Haus schmutzig ist.«
»Sie putzen sechs Tage in der Woche. Wie kann es da schmutzig sein?«
»Okay, okay.«
Simone schleppte den riesigen Standmixer aus der Speisekammer. Er wog mehr als eine ihrer Zwillingstöchter, und Simone ging jede Wette ein, dass die dunkelhaarige Frau im Fernsehen noch nie versucht hatte, ihren Mixer hochzuheben. Sie stellte ihn auf der Theke ab und machte daneben etwas Platz frei. In einem Kochbuch, das sie auf der Geschenkparty anlässlich ihrer bevorstehenden Hochzeit bekommen hatte, fand sie ein einfaches Rezept für Schokoladenkuchen und sah sich dann nach den restlichen Dingen um, die sie benötigte.
Die Zwillinge, die im Familienzimmer fernsahen, re agierten nicht, als sie nach ihnen rief. Stattdessen beschwer ten sie sich lautstark, als sich Simone vor den großen Bildschirm stellte und ihnen die Sicht versperrte. »Ab mit euch zum Händewaschen. Jetzt werden Cupcakes gebacken.«
Sich an den Händen haltend, zogen die Zwillinge grum melnd und kichernd in Richtung des Badezimmers ab. Ihre kleinen Rücken, ihre verstrubbelten Haare und ihr barfüßiges Schlurfen wirkten auf Simone seltsam und mitleiderregend. Sie fragte sich, welcher böswillige Geist im Schlafzimmer gegenwärtig gewesen sein mochte, als sie, die niemals auch nur ein Baby haben wollte, gleich zwei auf einmal bekommen hatte.
»Mommy?«, sagte Merell. »Das Baby schreit schon wieder.«
»Celia kümmert sich darum.«
»Ich glaube, ich weiß, warum Olivia schreit. Ich habe ihr ein Fläschchen gemacht, als ich aufgestanden bin, aber sie mag Haferbrei und Apfelmus zum Frühstück.«
Dass Olivia etwas zu essen brauchte, war Simone gar nicht in den Sinn gekommen. Im Moment konnte sie sich nicht einmal daran erinnern, was das Baby jeden Tag aß.
»Was hast du in die Flasche gefüllt? Die Milch war sauer.«
»Ich habe einen Kanister mit Babymilchpulver aufge macht.«
Merell war alles, was Simone nicht war: aktiv, erfinderisch, verantwortungsvoll. Es wäre eine Kleinigkeit, sich bei diesem Kind zu bedanken, und trotzdem verkeilten sich die Worte in Simones Kehle.
Schließlich kamen die Zwillinge vom Händewaschen zu rück, die Vorderseiten ihrer T-Shirts und Shorts von oben bis unten durchnässt. Simone wurde bewusst, dass sie die ganze Zeit über tatenlos in der Küche gestanden hatte. Die Zeit war vergangen, aber sie hatte keine Ahnung, wie viel.
»Wo sind die Cupcakes?«, fragte Valli.
»Geht nach draußen. Ich werde euch rufen, wenn ich euch brauche.«
»Du hast gesagt …«
»Raus.«
Sie saß in der Küche, las wieder und wieder das Kuchenrezept durch und versuchte, es zu verstehen. Sie vergaß ihre Töchter, die Druckbuchstaben verschwammen vor ihren Augen.
Merell tauchte mit dem Baby auf
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