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Das Gewicht der Liebe

Das Gewicht der Liebe

Titel: Das Gewicht der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Campbell Drusilla
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Zwillinge jammerten, sie hätten Hunger, doch die Erdnussbutter war aufgegessen, und die Gefriertruhe war zwar bis an den Rand mit tiefgefrorenen Speisen gefüllt, aber Merell war es verboten, die Mikrowelle ohne Beisein eines Erwachsenen zu benutzen. Sie überlegte, ob sie Celia um Hilfe bitten solle, doch die Zugehfrau war gerade damit beschäftigt, im Wohnzimmer, in dem sich niemals jemand aufhielt, die Möbel zu polieren und Staub zu wischen, und die Beseitigung von Olivias Schweinerei hatte sie in eine missmutige Stimmung versetzt, sodass es Merell ratsam erschien, ihr aus dem Weg zu gehen. Sie hasste es, in einer Sprache, die sie nicht verstand, herumkommandiert zu werden. Der Gedanke, Spanisch zu lernen, erinnerte sie an die Schule und an ihre Uniform. Sie sprach eine Nachricht auf die Mailbox von Tante Roxannes Handy, bettelte wie ein kleines Baby.
    Irgendwann hatte Merell genug von Vallis und Victorias Gezeter, wie hungrig sie doch seien, und bestellte beim nächsten Domino’s eine große Pizza mit extra viel Käse. Um sie zu bezahlen, ging sie ins Arbeitszimmer ihrer Mutter, wo sich deren Handtasche befand, und nahm aus der Brieftasche einen Zehn- und zwei Fünfdollarscheine.
    Mehrmals am Tag schaute Merell nach Olivia. Manchmal schlief sie, doch wenn ihre Augen geöffnet waren, schien sie vollauf damit zufrieden zu sein, einfach auf dem Rücken zu liegen und mit ihren faszinierenden Füßen zu spielen. Merell fragte sich, ob Olivia so klug werden würde wie sie, oder ob sie eher nach den Zwillingen käme. Schließ lich verlor das Baby das Interesse an seinen Zehen und begann zu schreien, aber nicht das kreischende Schreien, das mit Säurereflux verbunden war. Merell deutete das Schreien als Ausdruck von: Mir ist langweilig, kümmere dich um mich. Sie setzte Olivia in den Buggy, schob sie um das Haus herum und Dutzende Male die Auffahrt hinauf und hinunter, was Olivia zu gefallen schien. Victoria und Valli fuhren auf ihren rosa-gelben Fahrrädern mit Stützrädern herum. Nach einer Weile bat Celia Merell, das Tor am Ende der Auffahrt aufzumachen, und fuhr mit dem Mercedes zum Supermarkt. Sie liebte es, mit dem dicken Auto im Viertel ihrer Schwester herumzukurven und anzugeben. Die Zwillinge bettelten, Merell solle mit ihnen Schule spielen, aber Merell wollte lieber mit Olivia auf dem Schoß schaukeln. Die Brise fühlte sich beinahe kühl an. Sie fragte sich, ob sie Olivia ins Haus bringen sollte, wo die Klimaanlage, nachdem sie den ganzen Vormittag über grundlos an- und ausgegangen war, nun einen steten, eisigen Wind herausblies. Die Zwillinge klagten, es sei wie am Nordpol. Merell überlegte, dass Nanny Franny gesagt hätte, frische Luft sei für ein Baby das Beste, und so legte sie Olivia in den Wäschekorb zurück, schob ihn dicht an den Stamm des Avocadobaums, wo der Schatten am tiefsten war. Nachdem sie sich einen Pullover übergezogen hatte, legte sie sich im Familienzimmer aufs Sofa und las über Harry Potter und seine Freunde. Wenn sie las, verging die Zeit immer wie im Flug.
    Victoria kam von draußen hereingerannt und kreischte: »Baby Libia ist ganz rot! Und Bienen krabbeln auf ihr herum!«
    Merell war noch nie aufgefallen, wie schnell die Sonne über den Himmel reiste. Sie war hinter dem Avocadobaum hervorgekommen und schien direkt auf die Stelle neben dem Baumstamm, wo Merell den Wäschekorb hingeschoben hatte. Olivias Fläschchen war im Korb umgefallen und tropfte auf die Betttücher und Kopfkissenbezüge. Ihr feines dunkles Haar war von Milch verklebt und hing an der Wäsche fest. Gelb gestreifte Wespen, durch die Süße der Babymilch angezogen, saßen auf ihren klebrigen Backen und schwärmten um ihr Haar und ihre Ohren herum. Ihre Wangen, die Stirn und die Oberseite ihres Kopfs waren von der Sonne leuchtend rosa verbrannt, und ihre Augen waren glasige Schlitze zwischen ihren geschwollenen Lidern. Sie versuchte zu schreien, brachte aber nur einen trockenen, knackenden Laut hervor wie ein Frosch, der gerade erst zu quaken lernt.
    Angst explodierte in Merells Körper. Sie griff mit wedelnden Händen direkt in die summende Mitte der Wespen, die mit ihren wütenden Körpern gegen ihre Finger flatterten, packte Olivia bei den Handgelenken und zog sie in ihre Arme hoch. Der Kopf des Babys fiel zur Seite, und die Wespen schwirrten herum und landeten erneut, einige davon auf Merell. Sie fühlte die winzigen Beine auf ihrer Haut und taumelte kreischend über die Terrasse zu einer Rattanliege, die

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