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Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Titel: Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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beauftragt, alle noch so weit verstreuten und uralten Schriftstücke zu sammeln, die wir aufspüren konnten, und zusammenzustückeln, was von der Sprache des Bundes übrig ist. Gelehrte aus aller Herren Länder haben diesem Ort ihr Leben gewidmet. Mit jeder Generation wuchs die Bibliothek weiter, breitete sich tiefer in die Geborgenheit des Berges aus, füllten sich neue Regale mit Theorien, Kommentaren, kleinen Erfolgen, übersetzten Bruchstücken. Man ging davon aus, dass diese Sprache eines Tages vonnöten sein würde, um die Schergen des Quietus zurückzuschlagen. Oder dass sich durch ihre Kenntnis und Anwendung die Versprechungen erfüllen würden, welche die Ersten uns gemacht haben.« Der Schreiber hielt inne, und Trauer malte sich auf seinem Gesicht. »Die Finsternis aus dem Born hat es zweifellos auch darauf abgesehen. Ihre verkommenen Ziele würden in Reichweite rücken, ihre Macht wäre unbesiegbar, wenn sie diese Sprache als Waffe benutzen könnte.« Edholm seufzte. »Sie konnten sie nicht von uns bekommen. Wir hatten die Sprache des Bundes noch nicht wiederbelebt. Doch was wir im Lauf der Jahrtausende ergründet haben, hätte der Stille womöglich gereicht, um das Ende von Licht und Frieden im Land zu beschleunigen.« Ein paar Flöckchen Asche fielen zwischen ihnen herab. »Wie viele Lebensspannen sind nun zu Asche zerfallen …«, klagte der Schreiber. »Von ihren Mühen ist nichts geblieben als Ruß und Kohle.«
    Da kam Tahn ein Gedanke. »Augenblick. Wenn Ihr nicht in der Bibliothek wart, als der Angriff erfolgte, woher wisst Ihr dann, dass sie ausgebrannt ist? Vielleicht ist doch nicht alles verloren. Vielleicht haben die Stilletreuen sich mit ihrem Feuer nur selbst den Zugang zu den Büchern versperrt, die sie stehlen wollten.«
    Der Schreiber zeigte auf den oberen Rand der Felswand, wo eine Rauch- und Aschesäule in den Himmel stieg. Tahn wurde plötzlich klar, weshalb er beim ersten Hauch von Brandgeruch nicht nur brennende Kiefern gerochen hatte. Edholm entgegnete voll düsterem Hohn: »Vielleicht sind die Seiten in den Flammen verbrannt, die aus den Händen der Velle schossen. Vielleicht hat die Hitze allein Einbände und Pergament wie Zunder entflammen lassen, selbst durch den Fels hindurch. Vielleicht haben auch jene Gelehrten, die in der Bibliothek gefangen waren, die Bücher in Brand gesteckt, damit sie der Stille nicht in die Hände fielen.« Edholm fügte flüsternd hinzu: »Wie schmerzlich ihnen das gewesen sein muss.«
    Tahn sah zu, wie die Asche, die aus dem Berg quoll, nun mit einer sanften Brise gemächlich nach Süden trieb. Das hohle Gefühl einer schrecklichen Niederlage stahl sich in seine Brust.
    »Der Staub jener, die bei der Verteidigung der Bibliothek ihr Leben ließen, vermengt sich mit der Asche der Seiten, um derentwillen sie gestorben sind. Wie angemessen«, sprach Edholm in getragenem Ton, als hielte er eine Grabrede. »Das Feuer hat sie vollkommen verbrannt und selbst ihre Knochen verschlungen. Sie haben sich der Gefahr entgegengeworfen, um die Bibliothek zu retten. Ihr steht auf ihnen, gerade jetzt.« Der Schreiber blickte auf ihre Füße hinab.
    »Als alle tot waren, machten die Stilletreuen sich daran, den Fels zu sprengen und über die Bücher herzufallen. Da begann die Asche auf sie herabzuregnen. Sie wussten, was das bedeutete: Jene, die in dem Berg gefangen waren, hatten die Bibliothek lieber verbrannt, als sie der Stille in die Hände fallen zu lassen. In ihrem Zorn richteten die Stilletreuen ihr Feuer gegen den Berg, brachten das Gestein zum Schmelzen und schlossen die Gelehrten auf ewig darin ein. Ich konnte nicht einmal mit ihnen sterben.« Edholm scharrte mit dem Fuß in der Schicht aus Staub und Asche, die die Lichtung bedeckte.
    Tahn hörte ganz deutlich die Schmach in diesen Worten. »Ihr hättet den Kampf um die Bibliothek auch nicht entschieden.«
    Der Schreiber warf ihm einen hitzigen Blick zu. »Du Narr! Entscheidend ist meine mangelnde Bereitschaft dazu. Ich trage diese Embleme und Werkzeuge …« Er hob die Bücher an, die an seinem Gürtel hingen. »Aber gewiss nicht, weil sie so angenehm oder praktisch sind. Ich trage sie, weil ich mich der Erhaltung unserer kostbarsten Worte verpflichtet habe. Dass ich tatenlos daneben stand, spricht Bände über meinen Wert … ein vernichtendes Urteil!« Edholm kehrte Tahn und Sutter den Rücken zu. »Ich vermag mir kaum vorzustellen, wie sie dort drin gelitten haben, als Flammen und Rauch die Kammern

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