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Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Titel: Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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ächzend vor Anstrengung. »Steht nicht nur da herum«, schalt er sie. »Los doch, helft mir!«
    Tahn fand ganz in der Nähe zwei angesengte, dicke Äste und reichte einen davon an Sutter weiter. Sie wechselten einen fragenden Blick, und Sutter lächelte und verdrehte ob dieser absurden Aufgabe die Augen gen Himmel. Dann machten sie sich an die Arbeit.
    Bald hatte der Schreiber die Masse durchstoßen. Der Gestank von verbranntem Fleisch hing plötzlich in der Luft. Als hätte er das nicht bemerkt, wandte Edholm sich mit schweißnassem Gesicht zu Tahn um. »Ich bin durch!«, rief er aufgeregt. »Hilf mir, den Stab niederzudrücken!«
    Tahn stützte sich mit seinem ganzen Gewicht auf das Ende des Stabs, und gemeinsam vergrößerten sie das winzige Loch im Gestein. Rauch und Dampf stiegen daraus auf, doch der Schreiber hielt nicht inne.
    »Leg einen Stein unter meinen Stab. Dann haben wir einen Hebel«, befahl Edholm Sutter.
    Der Rübenbauer gehorchte und hielt einen großen Steinbrocken fest, während Tahn und der Schreiber weiterhin das zähe Gestein bearbeiteten. Je größer das Loch wurde, desto besessener plagte sich der gebrechlich wirkende Mann.
    Einige Zeit später hielten sie inne. Alle drei waren schweißgebadet. Aber die Öffnung, die sie geschaffen hatten, war so groß, dass ein Mensch hindurchkriechen konnte.
    Hoffnung hellte die verzweifelte Miene des Schreibers auf. Er wischte sich die Stirn und kniete sich vor das Loch. »Folgt mir, ihr Burschen.«
    Drinnen wurde der Gestank nach versengter Haut und verbranntem Fleisch überwältigend. Tahn hielt sich den Umhang vor Mund und Nase und ließ den Blick durch den Eingangsbereich schweifen. Er hatte erwartet, dass im Innern der Bibliothek völlige Finsternis herrschen würde. Stattdessen schimmerte ein schwacher Schein, der von dem Gestein selbst ausging, in einem kleinen Radius um ihn und Sutter herum. Das Licht folgte ihnen, als sie sich bewegten, und selbst die Wände wurden hell. In der Eingangshalle reichte das geschmolzene, sanft gewellte Gestein mehrere Schritt tief.
    Ein paar Schritte weiter lag eine verkohlte, zusammengekrümmte Gestalt auf dem Boden. Tahn ging langsam darauf zu, und der Kreis aus weichem Licht folgte ihm weiterhin. Ruß und Rauch dämpften das Licht wie dicke Wolken im tiefsten Winter. Doch es war hell genug, um die grausige Totenmaske des verbrannten Mannes auf dem Boden zu erkennen. Die Hände der Gestalt waren vor ihr erstarrt, als versuchte sie immer noch, das Feuer abzuwehren, das sie verschlungen hatte.
    Der Schreiber wartete nicht auf sie, sondern eilte weiter. Tahn rannte ein paar Schritte, um ihn einzuholen. Er hielt sich den Umhang dicht vor Mund und Nase, um nicht den Staub und die Asche einzuatmen, die Edholm vor ihm aufwirbelte. Der Boden war mit Pergamentfetzen übersät, die angesengt und halb zerfallen im Lufthauch ihrer eiligen Schritte raschelten.
    Und da waren noch mehr zusammengekrümmte, leblos kauernde Gestalten.
    Tahn lief an ihnen vorbei und vermied es, die starren, verkohlten Leichen anzusehen.
    Der Gang verzweigte sich, und der Schreiber wandte sich nach rechts. Tahn hielt sich dicht hinter ihm und sah ihn in eine Kammer abbiegen. Er folgte ihm und betrat eine große, tiefer liegende Höhle. Hoch angehäufte Asche und Pergamentfetzen türmten sich an den Wänden, als hätten dort einmal Bücherregale gestanden.
    Der Rauch wurde unerträglich, und Tahn und Sutter mussten furchtbar husten, obwohl sie sich die Umhänge vor Mund und Nase pressten.
    Edholm eilte an ihnen vorbei und weiter den Gang entlang, als hätte er jetzt ein ganz bestimmtes Ziel. Tahn fragte sich, ob der Schreiber hoffte, tief im Inneren der heiligen Bibliothek noch Überlebende zu finden. Sie kamen an weiteren Sälen vorbei, und stets warf Edholm einen raschen Blick hinein. Jedes Mal, wenn er einen toten Schreiber sah, drang ein leises Wimmern über seine Lippen.
    Sie liefen weiter, trampelten durch die Asche von Büchern, Schriftrollen und Regalen, die noch auf dem Boden schwelte.
    Am Ende des Ganges wandte Edholm sich nach rechts und eilte eine Treppe hinunter. Am unteren Ende wurde die Luft ein wenig besser, und Tahn wischte sich die Stirn. Es war immer noch sehr heiß.
    Der Schreiber rannte weiter und schaute jetzt nicht mehr in die zerstörten Studierzimmer, Kammern und Lesesäle. Sie stiegen weitere Treppen hinab, bogen unzählige Male in neue Gänge ab und rannten stumm hinter dem Mann her, der sie durch dieses Labyrinth führte.

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