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Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Titel: Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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den Fremden zu treffen. Er funkelte Tahn böse an und stieg dann vorsichtig die Klippe herab. Sobald er ebenen Boden erreichte, schritt er schnurstracks über die verkohlte Lichtung auf sie zu. Glaskrusten knackten unter seinen Stiefeln, und Wut flammte in seinen Augen auf. Das waren die scharfsinnigen Augen eines Gelehrten, dachte Tahn, eines geübten Beobachters. Er hatte den Eindruck, dass diesem Mann selten etwas entging. Aus der Nähe sah er nun, dass nicht ein, sondern zwei kleine Bücher mit Seidenkordeln um seine Hüfte gebunden waren. Am Gürtel trug er eine Art Fläschchen und noch mehr Federkiele.
    Der Mann marschierte mit seinem dicken Wanderstab auf sie zu, blieb unmittelbar vor Tahn stehen und starrte mit unverhohlener Verachtung zu ihm auf. »Deine dritte Vermutung brauchst du nicht auszusprechen, Bürschlein«, sagte der Mann mit einer Mischung aus Selbsthass und Abscheu in der Stimme. »Ich werde zu meiner Schande stehen, aber du kannst gewiss sein, dass deine ärmlichen Versuche logischer Schlussfolgerung nichts damit zu tun haben. Pah, Sprache ist zu kostbar, um von Leuten missbraucht zu werden, die sich für ach so schlau halten.«
    »Ich wollte nicht …«
    »Aber natürlich wolltest du das«, erwiderte der Mann scharf. »Also hör es dir an. Ich bin Edholm Restultan, Schreiber in der Bibliothek von Kumram.« Der Mann blickte über die Schulter zurück. »Oder was davon übrig ist. Und in der Stunde ihrer Vernichtung hielt ich Wache auf der Klippe und unternahm nichts, um sie gegen jene zu verteidigen, die hundert Generationen gelehrsamer Arbeit in Flammen aufgehen ließen.« Er wandte sich wieder Tahn zu und sah ihn hasserfüllt an. »Du bist sehr dreist, mein Junge, aber nichtsdestotrotz hast du recht. Ich habe den Angriff überlebt, indem ich mich versteckt habe, während meine Kollegen … meine Freunde … aus voller Kehle um Hilfe schrien. Es ist die größte Schwäche der Männer, dass sie zuallererst daran denken, sich selbst zu retten. Ihr beide werdet eines Tages auch Männer sein und meine Scham verstehen können.«
    Der Mann verstummte und ließ den Kopf hängen. Tahn wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Lautlos begann der Schreiber zu weinen.
    Dann flüsterte er: »Ich bin verloren, so gewiss, als hätte ich mich in die Flammen gestürzt.«
    »Stilletreue«, sagte Tahn ernst.
    Edholm nickte. »Durch unzählige Banne, vorbei an der Wache – nur ein kleiner Trupp allerdings – und durch das mächtige Portal mit Türen aus Granit, zwei Manneslängen stark, sind sie gekommen. Unnatürliches Feuer schoss aus den Händen verhüllter Kreaturen hervor. Allein die Hitze versengte die umstehenden Bäume. Doch ihr Ziel war die Bibliothek, auf die Bücher hatten sie es abgesehen …«
    Tahn schaute an dem Schreiber vorbei zu der Felswand hinüber. »Dort war der Eingang?«, fragte er.
    Der Mann nickte.
    »Weshalb sollten sich Quietus-Treue für Bücher interessieren?«, fragte Sutter und ließ sein Schwert ins Futteral gleiten.
    »Nicht nur Bücher«, erklärte Edholm. »Kumram dient in den Jahrtausenden seit seiner Gründung nur einem Zweck.« Der Schreiber blickte zu dem versengten Fels hinüber und schien selbst jetzt noch zu zögern, diesen Zweck zu enthüllen. »Erst will ich eure Namen erfahren«, sagte er.
    »Flin«, stieß Tahn hastig hervor, »und Croster.« Mit einem Nicken wies er auf Sutter. »Wir sind Jäger.«
    »Verstehe«, sagte der Schreiber zweifelnd. »Schön, wenn das wohl auch nicht eure richtigen Namen sind, so doch etwas, womit ich euch ansprechen kann. Seid ihr schon lange Jäger?«, fragte der Mann.
    Weder Tahn noch Sutter antworteten ihm.
    »Gewiss versteht ihr meine Frage, denn erfahrene Jäger wissen, dass ihre Beute vor jedem Feuer flieht.« Ein abfälliger Unterton schwang in diesen Worten mit.
    Tahn nahm seinen Pfeil von der Sehne. »Das ist wahr. Aber Feuer schmilzt kein Gestein.«
    »Und gewöhnliche Jäger schließen nicht so rasch auf Stilletreue«, entgegnete Edholm. »Doch eure zitternden Glieder sprechen nicht für Verbündete des Borns.« Der Schreiber blickte sie ernst an und wartete, bis er ihre volle Aufmerksamkeit hatte. »Seht sie euch an, ihr Burschen, die Ruine von Kumram. Die Ruine der Schatzkammer, der Bibliothek, die einzig der Erforschung und Entzifferung der Sprache des Bundes diente.«
    Tahn fiel beinahe der Bogen aus der Hand. Sutter starrte Edholm voller Entsetzen an.
    »So ist es. Schon vor der Zeit des ersten Mandats wurden wir

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