Das Gift der alten Heimat
Tag, Onkel Johann.«
»Guten Tag, Erna.«
»Ich habe mitgehört und weiß überhaupt nicht mehr, was ich sagen soll …«
»Du sagst aber schon etwas«, witzelte Johann.
Ernas Stimme bleib traurig.
»Du wolltest uns nicht mehr sehen? Was haben wir falsch gemacht?«
»Gar nichts, Erna! Meine Gründe habe ich Paul gesagt. Du hast mitgehört, sagst du – also weißt du es. Andere gibt es keine.«
»Trotzdem kommen wir noch heute nach Köln-Nippes, Onkel Johann!«
Johnny Miller war mit Luigi Coco fertig geworden, aber nun spürte er, daß er seine Meisterin gefunden hatte. Gegen eine hübsche, junge, sanfte Frau ist eben schwerer anzukommen als gegen den härtesten Gangster.
»Ich muß dir nämlich etwas zeigen«, fuhr Erna fort.
»Was denn?«
»Ich habe mir ein Kleid zu deiner Perlenkette gekauft, Onkel Johann! Ein Kleid, das mußt du sehen! Die Damen von ganz Rheinstadt stehen Kopf. Ich werde es anhaben, wenn wir kommen.«
Johnny lachte.
»Die Krönung ist und bleibt natürlich deine Kette, Onkel Johann!«
»Bleibt mir aber mit euren Danksagungen vom Hals!«
»Gut, dann akzeptieren wir das.«
»Und mit euren Sorgen und Fragen!«
»Einverstanden, Onkel Johann. Ich kann aber nur für Paul und mich sprechen …«
»Das genügt doch? Für wen denn nicht?«
»Für Emma aus Bochum.«
»Bringt ihr die auch mit?« erschrak Johnny.
»Das mußten wir hoch und heilig versprechen«, erwiderte Erna und konnte es sich nicht verkneifen, hinzuzusetzen: »Und wir halten unsere Versprechen!«
»Ist sie denn gerade bei euch?«
»Nein, wir holen sie.«
Nach diesem Telefonat ging Johann in den Laden, um seinen Bruder zu verständigen, daß nicht Lenchen am Apparat gewesen sei und er auch keine Bestellung entgegengenommen habe, sondern die Ankündigung, daß Besuch ins Haus stünde.
»Wer denn?« fragte Jupp. Er hatte gerade einen ruhigen Augenblick zwischen zwei Kundinnen, von denen die eine soeben gegangen war und die nächste das Geschäft noch nicht betreten hatte.
»Die Rheinstädter und Bochumer Verwandtschaft«, entgegnete Johann. »Tut mir leid, Jupp.«
»Ist ja prima, dann kommt wieder Leben in die Bude!« freute sich der unverwüstliche Jupp. »Haben sie dich also doch erwischt?«
»Ich hätte nicht an den Apparat gehen sollen.«
Jupp war schon dabei, Pläne zu schmieden.
»Ich behalte sie wieder über Nacht hier, dann sind wir alle mal schön zusammen. Abends lassen wir ein Fest steigen. Platz haben wir, notfalls kann die Emma zusammen mit dir in einem Bett schlafen«, lachte er.
Johann lachte aber nicht über diesen Scherz, sondern meinte: »Was wird deine Frau dazu sagen? Die hat doch wieder die ganze Arbeit am Hals! Und alles wegen mir!«
»Das macht die doch gerne«, beruhigte ihn Jupp mit der Nonchalance aller Ehemänner. »Außerdem helfe ich ihr. Ich kann ihr ja für die belegten Schnittchen die Wurst aus dem Laden in die Küche bringen, dann muß sie nicht hin und her rennen. Das entlastet sie.«
»Und ich?«
»Laß dir einen Tip von mir geben. Mach ihr ein kleines Geschenk.«
»Was denn?«
»Eine gute Tafel Schokolade. Für Süßigkeiten hat sie eine Schwäche.«
Nun mußte aber Johann doch auch lachen, denn er wußte, daß für Lenchen dreißigtausend Dollar als kleines Geschenk im Anmarsch waren. Davon hatte er im Haus seines Bruders noch kein Wort erwähnt und würde er auch kein Wort erwähnen, solange er noch die Gastfreundschaft unter diesem Dach in Anspruch nahm.
»Wann kommt denn die ganze Bande?« fragte Jupp.
Johann zuckte die Achseln.
»Das haben sie mir nicht erzählt. Auf alle Fälle müssen sie über Bochum fahren. Deshalb werden sie sich wohl möglichst rasch auf die Socken machen.«
Magdalena Müller kam eine Stunde später ziemlich erschöpft nach Hause.
»Diese Ämter!« seufzte sie und gedachte sich von einer Tasse Kaffee wieder auf die Beine helfen zu lassen. Ihr Schwager Johann war inzwischen in die Stadt gegangen, um sich mit einer Bonbonniere für sie auszurüsten.
»Weißt du, wer kommt? Paul, Erna und Emma!« teilte ihr Jupp freudestrahlend mit.
»Wann?« stieß Lenchen mit dem Entsetzen, das jede Hausfrau in solchen Momenten befällt, hervor.
»Sie sind schon unterwegs.«
Lenchen, die sich soeben auf einen Stuhl niedersinken lassen wollte, schnellte wieder hoch.
»Du lieber Himmel! Und wir haben nichts im Haus!«
Sogar in einer Metzgerei verhält sich das auch nicht anders – man glaubt, man habe nichts im Haus, wenn überraschender Besuch im
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