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Das Gift der Engel

Das Gift der Engel

Titel: Das Gift der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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Sängerin?
    Die Gestalt trug ein Kostüm, also war das hier wohl der Mitschnitt einer Oper. Dagmar Dennekamp hatte die Arie in ihrer Originalform gehört. Sie hatte eine CD besessen, auf der ein Video gespeichert war, in dem jemand diese Arie sang. Aber nur eine kurze Passage daraus. Und die Aufnahme zeigte eine Bühnendarbietung.
    Alban klickte das eingefrorene Gesicht des Sängers weg, ließ den Schlitten des CD-ROM-Laufwerks ausfahren und legte die CD auf den Schreibtisch. Die Verbindung zwischen den Fällen Joch und Dennekamp war nicht mehr wegzudiskutieren.
    Er blätterte sorgsam die Tagebücher durch, las weiter und suchte nach einer Passage, in der Dagmar Dennekamp Joch, den unbekannten Sänger oder sonst irgendeinen Aspekt erwähnt hatte, der für den Fall von Bedeutung sein konnte. Er arbeitete sich durch die monströsen langweiligen immergleichen Formulierungen. Umsonst. Er fand nichts.
    Irgendwann sah er auf die Uhr. Es war halb eins. Trotz der späten Stunde rief er Kessler an.
    Es klingelte lange. Dann meldete sich eine verschlafene Stimme. Als sich Alban zu erkennen gab, war der Hauptkommissar mit einem Schlag hellwach.
    »Kannst du mir mal sagen, was du so spät von mir willst?«, fragte er unwirsch.
    »Entschuldige Gerhard. Warst du schon im Bett?«
    »Allerdings. Wie du weißt, hole ich am Wochenende meinen Schlaf nach. Was willst du? Mach’s kurz.«
    »Ich habe den Beweis, dass beide Fälle zusammenhängen.«
    »Welche Fälle?«
    »Dennekamp und Joch.«
    Kessler schwieg. Dann war ein unartikuliertes Geräusch zu hören. Es wirkte wie ein Schnauben oder Seufzen.
    »Ich habe mit Dagmar Dennekamps Mann gesprochen und mich mit ihren Texten beschäftigt. Dabei ist mir ein interessantes Dokument in die Hände gefallen.«
    »Noch eine Partitur?« Der Spott in Kesslers Stimme war beißend.
    Alban blickte auf die CD, die auf seinem Schreibtisch lag und die das Licht der Lampe reflektierte.
    »Was auch immer du da hast, es ist sicher auch am Montag noch da, oder?«, sagte der Hauptkommissar.
    »Aber ich wollte es dir so schnell wie möglich …«
    »Bring es mir am Montag ins Präsidium, in Ordnung?«
    »Geht es nicht morgen?«
    »Morgen ist Sonntag!«
    »Komm am späten Vormittag zum Frühstück. So um elf. Da kannst du jetzt noch zehn Stunden schlafen.«
    »Daraus wird nichts. Wir fahren morgen nach Osnabrück zu meiner Schwiegermutter.«
    »Und wenn du davor kommst? Es dauert nicht lange. Gerhard, es ist wirklich wichtig!«
    Wieder das Schnauben.
    »Heißt das ja?«
    »Wenn du mich jetzt in Ruhe lässt.«
    Alban verabschiedete sich und legte auf.
    Er blieb eine Weile nachdenklich am Schreibtisch sitzen. Frische Luft, dachte er. Er erhob sich, öffnete das Fenster und hörte hinter sich ein plumpsendes Geräusch. Zerberus war vom Sessel gesprungen. Plötzlich erstarrte das Tier mitten in der Bewegung und spitzte die Ohren. Alban bemerkte aus den Augenwinkeln, dass sich etwas veränderte. Er sah sich um, doch ihm wurde zuerst nichts Außergewöhnliches bewusst. Dann erkannte er, dass der Bewegungsmelder angegangen war. Draußen waren wohl andere Katzen unterwegs.
    Er spürte, dass er müde wurde. Vielleicht war es eine gute Idee, den Tag mit einem Glas Rotwein zu beschließen und dabei über seinen Triumph nachzudenken. Er ging hinunter und fand eine angebrochene Flasche in der Küche.
    Ein Großteil des Erdgeschosses bildete neben Simones Räumen der ehemalige Salon. Er wurde sehr selten benutzt. Im Grunde war er nur der Durchgang zur Terrasse auf der Rückseite des Hauses. Alban betrat das große Zimmer, schaltete die Stehlampe neben der Tür ein, ging zur Terrassentür und öffnete sie. Die Luft roch noch ein wenig spätsommerlich nach Blättern, Holz und Erde.
    Als er mit Lea hier eingezogen war, hatten sie im Garten ein großes Sommerfest gegeben – mit Musik und Grill und bunten Lichtern. Alban wurde von der Erinnerung einen Moment überwältigt, dann kam er wieder zu sich und wollte einen Schluck Wein nehmen.
    Es gelang ihm nicht.
    Von irgendwoher preschte ein Schatten auf ihn zu, und ein heftiger Schlag in den Nacken brachte ihn zum Taumeln.
    Das Glas zersprang klirrend auf den Steinen, und Alban fand sich plötzlich auf dem Boden wieder. Seine Schulterblätter schmerzten. Er stand mühsam auf. Es pochte infernalisch in seinem Kopf.
    Ein Einbrecher, dachte er. Ich muss Hilfe holen! Das Telefon in Simones Zimmer.
    Er lauschte. Nichts war zu hören. Nur das Blut, das in seinen Ohren rauschte. Lange

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