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Das Gift der Schmetterlinge (German Edition)

Das Gift der Schmetterlinge (German Edition)

Titel: Das Gift der Schmetterlinge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F.E. Higgins
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andern und prüfte ihren jeweiligen Inhalt: Dutzende hellbrauner Kokons des
Papilio ingenspennatus
hingen an Fäden, die durch das Innere jedes Gefäßes gespannt waren. Sie sind so groß wie mein Daumen, nur dicker, und die Fäden hängen unter ihrem Gewicht durch. Vor dem Glas in der hintersten Ecke des Raums blieb ich ein wenig länger stehen. Die Kokons darin sind viel dunkler. Wenn doch Vater hier wäre und sie sehen könnte, dachte ich …
    Luxus ist mir nichts Neues, ich kenne ihn von Withypitts Hall und von Urbs Umida, aber wenn ich diese schlichten Wunder der Natur sehe, weiß ich, dass ich da eine andere Art von Schönheit vor mir habe als die von Lady Mandibles funkelnden Juwelen oder Bovriks pompöser Kleidung.
    Pah! Dieser Mann! Er verdient alles, was auf ihn zukommen wird!
    Als die Uhr Mitternacht schlug, war ich froh, dass mich etwas aus meinen düsteren Gedanken riss: Nach dem letzten Schlag meinte ich, ein Geräusch aus dem Flur gehört zu haben. Mein erster Gedanke? Bovrik! Wer sonst sollte um diese Zeit herumschleichen? Ich öffnete ganz leise die Tür und linste hinaus. Sehen konnte ich niemanden, nur allmählich sich entfernende Schritte konnte ich hören, aber er war es ganz sicher. Ich roch sein Zitronenparfüm, das wie eine Duftspur hinter ihm herwehte.
    Natürlich schlich ich ihm nach, und immer, wenn er um eine Ecke bog, sah ich seine Rockschöße aufblitzen. Ich hielt mich dicht an den Wänden, streifte gegen Vorhänge, Wandteppiche und ausgestopfte Tiere. Nach einer Weile wurden die schwermütigen und disharmonischen Weisen von Lord Mandibles Cembalo lauter – er hat versprochen, auf dem Fest zu spielen, aber ich fürchte, da übernimmt er sich. Schließlich kamen wir zu Lord Mandibles Privatgemächern. Ich sah, wie Bovrik in das Schlafzimmer des Lords schlich. Was machte er dort? Was war das nun wieder für ein Rätsel?
    Bevor ich weitergrübeln konnte, erschien er wieder auf dem Gang, wobei er in merkwürdiger Haltung seinen Umhang zusammenhielt, und hastete in entgegengesetzter Richtung davon. Ich hatte ihn schnell aus den Augen verloren und machte mich auf den Rückweg zu meinem Turm.
    Doch, Polly, es war nicht diese merkwürdige Begegnung, die mich zu Feder und Papier greifen ließ. Jetzt kann ich mich nicht länger darum herumdrücken.
    Withypitts Hall ist das reinste Labyrinth, und da es Nacht war und ich so in meine Gedanken vertieft, merkte ich erst nach einer Weile, dass ich durch Gänge lief, die ich nicht kannte – ich musste irgendwo falsch abgebogen sein. Zunächst machte ich mir keine Sorgen, aber als ich weiterging, war mir, als ob allmählich die Wände näher zusammenrückten. Ganz sicher aber war die Decke hier niedriger. Trotzdem ging ich weiter.
    Auch dieser Teil des Herrenhauses war natürlich nicht ohne Lady Mandibles Spuren: Überall an den Wänden hingen Bilder in unterschiedlichen Größen. Es waren Ölgemälde, aber sie hatten wenig zu tun mit den Porträts der Mandible-Vorfahren, die sonst überall in Withypitts Hall ernst und streng von den Wänden blickten. Es waren Porträts und Landschaften in gedeckten Farben, aber so befremdlich gemalt, dass sich kaum erkennen ließ, was da porträtiert war. Ich sah wilde Tiere und Menschen, Himmel und Meer, aber dazwischen auch Dinge, die ich nicht verstand. Die Identität des Künstlers dagegen war kein so großes Geheimnis: In der Ecke jedes Werkes stand deutlich der Name Lysandra. Irgendwie überraschte es mich nicht, dass Lady Mandible die Welt so darstellte.
    Als ich weiterging, änderte sich die Farbe der Bilder. Sie nahmen im schwachen Licht meiner kürzer werdenden Kerze allmählich ein Eigenleben an. Die matten, rötlich braun verschmierten Farben schienen jetzt als Monstren und Dämonen in einem höllischen Inferno zusammenzulaufen. Welcher Geist fantasiert sich solche Bilder zusammen?
    Vor mir sah ich eine Tür. Wenn ich auch große Bedenken hatte, so siegte doch die Neugier, und ich legte die Hand auf den Türknauf und drehte langsam. Mein Herz schlug schneller. Nun hatte ich genauso viel Angst vor dem, was hinter mir war, wie vor dem, was vor mir lag. Die Tür öffnete sich leicht und lautlos. Ich ging hindurch und hörte, wie sie sich mit leisem Klicken wieder schloss.
    Ich stand in einem großen Zimmer. Durch das Fenster zu meiner Linken schien der Mond herein und im Kamin gegenüber schwelte noch die Glut eines Feuers. Das Zimmer war luxuriös eingerichtet, doch wegen des Lichts kam mir alles grau

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