Das Gift der Schmetterlinge (German Edition)
Der Kater trottete davon, während Lord Mandible mit einer raschen Bewegung seine Frackschöße zur Seite schnipste und vorsichtig sein stattliches seidenbehostes Hinterteil auf dem Lederhocker vor dem Cembalo niederließ. Das Hinsetzen war nicht ganz einfach wegen seines steifen Beins und des allzu straff sitzenden Fracks. Schuld an Letzterem waren Mrs Malherbes Pasteten. Er wusste, er sollte sich zurückhalten, aber sie waren einfach zu köstlich.
Einigermaßen affektiert krümmte er die Finger, ließ sie in den Gelenken knacken und begann schließlich, auf dem eleganten Instrument zu spielen. Es war ein italienisches Cembalo aus der Werkstatt der berühmten Brüder Funiculi in Rom. Sein Vater hatte es ausgezeichnet gespielt, und zwar buchstäblich bis zum Augenblick seines Todes: Der Arme war mitten im Spiel über den Tasten zusammengebrochen und gestorben. Um das Andenken an seinen Vater zu ehren, hatte Mandible dieses Instrument erlernt, aber ihm fehlte das Talent des Vaters. Er spielte eifrig, aber schlecht, und sein Lehrer, der neben ihm stand, hütete sich, ihm die Wahrheit zu sagen.
»Euer Lordschaft«, sagte er, als die Melodie zu Ende war, »darf ich Euch loben, Ihr habt jede Note gespielt!« Tatsächlich hatte Mandible jede Note gespielt, nur nicht unbedingt in der angegebenen Reihenfolge oder Tonlage. »Ich kann längst keine Vergleiche mehr zwischen Eurem Spiel und dem meiner anderen Schüler ziehen«, fügte er mit aufgesetztem Lächeln hinzu. »Ihr seid zweifellos eine Klasse für sich.«
Mandible war hocherfreut.
»Trotzdem möchte ich zur Vorsicht raten, Euer Lordschaft«, warnte der Lehrer. »Ich weiß, Ihr wollt auf dem Mittwinterfest spielen, aber ich bin nicht sicher, ob die ungeübten Ohren der Gäste Eure besondere Begabung erkennen werden.«
Mandible überging diesen Einwand und verkündete: »Das Mittwinterfest ist eine perfekte Gelegenheit, mein Talent unter Beweis zu stellen. Eine Melodie habe ich bereits ausgearbeitet, nun brauche ich nur noch den Text. Möchtet Ihr die Melodie hören?«
Der Lehrer nickte und fügte sich in das Unvermeidliche. Er tröstete sich mit dem Gedanken, dass sich von allen Abenden des Jahres der des Mittwinterfestes wahrscheinlich am besten für Mandibles Vortrag eignete. Nach den Erfahrungen vergangener Jahre würden die Feiernden schnell so betrunken sein, dass sich für ihre abgestumpften Ohren vermutlich auch das gequälte Röcheln einer strangulierten Katze wie lieblichste Musik anhören würde.
Es klopfte an der Tür und unmittelbar darauf trat Gerulphus ein. »Lady Mandible wünscht Euch zu sprechen, Euer Lordschaft«, sagte er.
»Ausgerechnet jetzt, wo ich dabei bin, das Stück geistig zu durchdringen!«, murrte Mandible. »Weiß sie nicht, dass ich zu tun habe?«
»Sie besteht darauf.«
Genau genommen hatte Lysandra gesagt: »Sollte der Schwachkopf wieder auf seinem Cembalo klimpern, so kannst du ihm von mir aus den Deckel auf seine Gummifinger krachen lassen – vielleicht verbessert das sein Spiel. Sag ihm, er soll herkommen.«
Gerulphus hatte den langen Weg von den Gemächern seiner Herrin zum Musikzimmer genutzt, um sich für diese Botschaft andere Worte zurechtzulegen. Während Mandible nun hinter ihm herlief, hörte er dessen Hose im Rhythmus seines hinkenden Gangs rascheln.
Lady Mandible war höchst zufrieden, dass ihr Mann so eifrig Cembalo spielte. So hatte er wenigstens etwas zu tun und kam ihr nicht in die Quere. Dasselbe galt für die vielen Stunden, die er im Wald mit der erfolglosen Jagd auf Schweine zubrachte. Das alles war besser als die Situation in den Tagen kurz nach dem Tod seines Vaters, als er nur weinend und jammernd im Haus gesessen und geklagt hatte, dass er nicht das Format seines Vaters besaß und niemals besitzen würde. In Lysandras Augen war sie der Mann, der Mandible hätte sein sollen, und das kam ihr ganz zupass.
Als Lord Mandible ins Zimmer seiner Frau kam, grüßte ihn Lysandra und streckte ihm die Hand zum Kuss entgegen.
»Ah, meine Teuerste«, sagte er, wie die Manieren es verlangten, und drückte die Lippen auf ihre immer kühle Alabasterhaut. »Ich darf wohl sagen, dass Ihr heute besonders gut ausseht.«
Lady Mandible dankte für das Kompliment mit einem Nicken, das schon deshalb nur andeutungsweise ausfallen konnte, weil ihre drei Frisiermädchen gerade dabei waren, ihre Locken in Form eines voll aufgetakelten Marineschiffs aufzutürmen.
»Mein Teurer«, sagte sie mit einer winzigen Spur von
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