Das Gift des Boesen
Muskulatur interessierte die Frau nicht.
Yag stöhnte, als sie ihn küßte. Und noch einmal, als er begriff, daß es viel mehr war als ein Kuß.
Sie ließ nicht zu, daß er schrie. Sie ließ nicht zu, daß er sich von ihr verabschiedete, bevor sie mit ihm fertig war. Erst als sie gesättigt wirkte, durfte er die Augen schließen.
Und Nada folgen .
*
Lilith ließ den Indio nach dem Bluttrunk fallen, als wäre er ein geleertes Gefäß. Sie schenkte ihm keinen Blick mehr, drehte sich aber noch einmal langsam um die eigene Achse, als wollte sie sich überzeugen, daß sich sonst nichts mehr rührte im Dorf.
Tatsächlich fand sie nichts, was ihre Aufmerksamkeit erregt hätte, außer ... diesem Gestank!
Er hatte sie im Fledermausflug erreicht und veranlaßt, zu Boden zu gehen und in ihre wahre Gestalt zurückzutransformieren.
Sie wußte, daß es absurd war, aber der penetrante Geruch erinnerte sie an den Jüngling, der ihr in der untergehenden Hermetischen Stadt erschienen war und sich ihr als »Retter in höchster Not« angepriesen hatte!
Jener Knabe hatte ihr ein Entkommen aus Mayab versprochen, falls ... ja, falls Lilith einwilligte, ihm als Gegenleistung irgendwann in naher oder ferner Zukunft auf sein Verlangen hin ebenfalls eine Gefälligkeit zu erweisen .. . 3
Dem Tode nahe, hatte sich Lilith auf diesen abstrusen Pakt eingelassen, und das, obwohl sie nicht einmal eine leise Andeutung erhalten hatte, woraus die sogenannte »Gefälligkeit« denn bestehen würde.
Wie auch immer: Der seltsame Knabe hatte Wort gehalten. Lilith hatte das Verlöschen des Weltenpfeilers überlebt und machte sich bezüglich des Schicksals der Bewohner Mayabs im nachhinein keine Gedanken mehr. Nicht mehr, seit sie dem anderen Fremden begegnet war, diesem Indianer, der so getan hatte, als würde er sie kennen und aus dem eine Art dunkler Blitz in sie eingefahren war. Lilith hatte ihm mindestens ebenso mißtraut wie dem Knaben vorher, und er hatte auch eine ähnliche Ausstrahlung besessen - bevor der Blitz aus ihm entwichen war .
Danach nicht mehr. Danach hatte sie sich auch auf keine Diskussion mehr mit ihm eingelassen, sondern nur noch gespürt, daß ein ganz neuer Abschnitt in ihrem Leben begonnen hatte und sie sich nicht mehr als Werkzeug benutzen lassen wollte. Von niemandem. Sie hatte das Potential in sich entdeckt, selbst über andere zu gebieten. Und es hatte ihr gefallen.
Es würde ihr noch besser gefallen, wenn sie endlich wieder die Zivilisation erreicht hatte.
Primitive Zustände, wie sie hier im Urwald herrschten, sagten ihr auf Dauer nicht zu. Sie wußte, wie es in den Zentren der menschlichen Kultur aussah. Und dorthin wollte sie wieder zurück. Dorthin, von wo sie gekommen war, bevor Landru sie zu betrügen versuchte Landru.
Den Betrüger als Feind zu betrachten, nach allem, was er ihr angetan hatte, wäre ein leichtes gewesen. Die größere Herausforderung sah Lilith allerdings darin, ihn als möglichen--- Ihr Gedankenflug stockte. Sie glaubte plötzlich zu spüren, aus welcher Richtung der Gestank kam. Seine Quelle schien nicht weit von hier zu liegen. Nicht weit von dem Dorf am Fluß, in dem der Tod so reiche Ernte gehalten hatte .
Lilith verzichtete auf ihre geflügelte zweite Natur. Zu Fuß setzte sie sich in Bewegung. Das Schlachtfeld blieb hinter ihr zurück.
Zeig dich! dachte sie. Wenn du es wirklich bist, der diesen Gestank verbreitet, zeig dich! Laß uns hier und jetzt klären, was du von mir willst und erwartest!
Sie war jetzt überzeugt, ihn wiederzutreffen, den seltsam erwachsen wirkenden Knaben.
Um so verblüffter war sie, als sie die Wahrheit erkannte.
Verblüfft und zunächst überaus - ratlos .
Der Baum, aus dem der Gestank strömte, schien älter zu sein als alle anderen in seiner Umgebung, die er auch um Längen überragte. Lilith erinnerte sich, daß er ihr schon aufgefallen war, als sie auf das Dorf zusteuerte - aber dann hatten die Unmengen vergossenen Blutes sie abgelenkt.
Zu Füßen des Urwaldriesen gähnte in seinem mächtigen Stamm eine Öffnung, die den Eindruck erweckte, als hätte sie einen natürlichen Ursprung. Als hätte sich der Stamm irgendwann an dieser Stelle aufgespalten und eine Höhlung geformt, die im Laufe der Zeit immer größer geworden war.
Lilith hätte keine Mühe gehabt, aufrecht gehend hineinzutreten.
Aber sie zögerte.
Nicht, weil das Dunkel sie schreckte - und nicht einmal, weil das Dunkel ihren Augen trotzte. Augen, die sonst imstande waren, in
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