Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)
gefahren?« Ich schüttelte den Kopf, und Dad ahmte die Gebärde nach und untermalte sie mit einem missbilligenden Zungenschnalzen.
» Ist Ihnen was aufgefallen, Rex?«
» Beim Schalten gibt es ein komisches Geräusch«, sagte Rex. Ich war es nicht gewohnt, dass er sich in Männerplaudereien verwickeln ließ, und ich war nicht sicher, bei wem er dieses » komische Geräusch« zu hören glaubte, beim Auto oder bei der Fahrerin. » Klingt, als ob der Auspuff über den Boden schleift, aber da hab ich nachgesehen, und das ist es nicht.« Er hatte nachgesehen? Und das war es nicht? Wenn Rex ein Autofachmann war, hörte ich davon zum ersten Mal.
» Ich werfe mal lieber einen Blick unter die Haube. Mal sehen, was da los ist.« Entschlossen stellte Dad seine Tasse auf die Arbeitsfläche.
» Da komm ich mit«, sagte Rex.
Und so zogen mein Vater und mein Freund ab, um sich ein Auto anzusehen, und meine Mutter und ich blieben in der Küche. Ich half ihr beim Auspacken der Lebensmittel, die sie auf dem Weg vom Flughafen eingekauft hatte.
» Er macht einen netten Eindruck«, sagte sie. » Woher kennst du ihn?«
» Seine Schwester war mit mir auf dem College«, sagte ich. Mum nickte. Diese Verbindung fand sie erfreulich genug, um nicht gleich die Frage nach Rex’ eigenen Qualifikationen anzuschließen. » Sie ist Schauspielerin«, fügte ich noch hinzu.
» Er sieht ziemlich künstlerisch aus, nicht wahr? Und er hat eine schöne Stimme. Man kann hören, dass er eine gute Erziehung genossen hat.« Die Vorstellung von Rex als Künstler war so erheiternd, wie der Gedanke, er könnte in einer glücklichen Familie aufgewachsen sein, herzzerreißend war. Sie hielt eine lange Strähne meines Haars ins Licht und schaute dann auf meine Kleidung, eine abgeschnittene Jeans und eine rote Zigeunerbluse mit einem Loch in einem Puffärmel. » Aber du musst dich um die Haarwurzeln kümmern. Er wird sehen, dass du nicht natürlich blond bist, wenn du sie auswachsen lässt. Und ich weiß nicht, was du glaubst, was du da angezogen hast. Aber vermutlich gefällst du ihm so.« Ich wies sie nicht darauf hin, dass Rex meine natürliche Haarfarbe schon kannte und dass ich ihn selbst mit wöchentlichen Friseurbesuchen nicht mehr davon würde überzeugen können, sie sei blond.
Vor dem Essen öffnete ich den Umschlag mit meinen Resultaten. Mit sicherer Hand schlitzte ich ihn mit einem Steakmesser auf. Es war das angekündigte Examen Erster Klasse, bekannt gegeben ohne ein Wort der Gratulation. Die meisten wichtigen Briefe sind sehr kurz, und dieser war keine Ausnahme– nur ein Computerausdruck mit meinem Namen, meinem Studiengang und dann, mitten auf der Seite, mit der Mitteilung, ich hätte ein Examen Erster Klasse abgelegt. Ich ging mit dem Brief zum Tisch und legte ihn vor meine Mutter hin.
» Mein Baby mit einem Examen Erster Klasse.« Meine Mutter strahlte vor Stolz und erkundigte sich dann sicherheitshalber: » Das ist wie die Bestnote in der Schule, oder?«
» Gut gemacht, Schatz«, sagte mein Dad und hob mir sein Weinglas entgegen. Rex und Mum schlossen sich schweigend an. » Wir haben immer gewusst, dass sie ihre Sache gut machen würde«, sagte er zu Rex. » Wir sind sehr stolz auf unsere Karen.«
» Das bin ich auch«, sagte Rex, und unter dem Tisch schmiegte sein Fuß sich fest an meine Wade.
Ich weiß nicht mehr, was wir an diesem Abend gegessen haben– irgendetwas vom Lamm, glaube ich, mit einem guten Vinho Verde–, aber ich weiß noch, dass wir sauberes, einheitliches Geschirr und Besteck benutzten. Ich weiß noch, dass Rex das Fertiggericht, das Mum für uns gekauft hatte, so ausführlich lobte, als habe sie stundenlang dafür am Herd gestanden. Ich weiß auch noch, dass seine offensichtliche Dankbarkeit ihr Gesicht erwärmte und ich dachte, wie hübsch sie immer noch war, wenn sie lächelte. Die drei unterhielten sich über Inneneinrichtung, Häuserpreise und Urlaubsziele, als wären sie schon seit Jahren gut miteinander bekannt. Als das Essen vorbei war, fühlte ich mich wie die Fremde.
Das Telefon klingelte in der Pause zwischen dem Hauptgang und irgendeinem Eisdessert, das meine Mutter mitgebracht hatte. Die Briefe für meine alten Freundinnen lagen ungeöffnet oben auf dem Poststapel. Ich nahm sie und ging damit zum Küchentisch. Ich hatte erwartet, drei Stimmen zu hören und nacheinander mit jeder zu sprechen, aber nur Sarah war am anderen Ende der Leitung, und ihre Stimme hatte einen scharfen Widerhall, als rufe sie
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