Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)
seinem Sitz nach vorn.
» Was sollte denn das?« Er rieb sich den Nacken, der beim Zurückfallen gegen die Kopfstütze geprallt war.
» Nichts«, sagte ich und schaute in den Rückspiegel, um zu sehen, was hinter mir auf der Straße los war. Ich erwog tatsächlich zurückzufahren, rückwärts die ganze Straße hinunter, und versuchte zu artikulieren, warum ich keine Lust hatte, sie alle miteinander bekannt zu machen. Hätte Biba neben mir auf dem Beifahrersitz gesessen, hätte ich mein Verhalten verstanden: Ich wollte immer noch, dass sie mich für die verwandte, unkonventionelle Seele hielt, für die sie mich am Anfang gehalten hatte. Fünf Minuten in der Gesellschaft meiner Eltern hätten alle Illusionen zerplatzen lassen, die ich über meine Herkunft hatte herstellen können. Aber ich war nicht mit Biba hier. Ich war mit Rex hier, mit dem undramatischen, vorurteilsfreien Rex, dessen treue Hingabe mir sicher war. Aber vielleicht, erkannte ich in den paar Sekunden, die ich brauchte, um den Motor abzuwürgen, wieder zu starten und mir zu überlegen, welchen Gang ich einlegen sollte, vielleicht galten meine Bedenken gar nicht meinen Eltern, sondern ihm. Rex besaß nicht Bibas Talent, mit allen zu flirten, denen er begegnete, und sie zu bezaubern. Er hatte keinen Job, keine berufliche Vergangenheit, kein Talent, weder ein Gewerbe noch ein Einkommen noch sonstiges Kapital von der Art, die meinen Eltern und ihren Freunden als Maßstab für den Wert eines Menschen diente. Er besaß nicht einmal eine Bildung, die sie als Ersatz für all das anzuerkennen gelernt hatten.
Ein Wagen hielt hinter mir an, und lautes Hupen zwang mich zum Handeln. Ich fuhr auf den einzigen freien Parkplatz weit und breit, unmittelbar gegenüber dem Wagen meiner Eltern. Wir schauten einander durch die Frontscheiben an, und Dad erkannte mich und meinen Wagen, bevor er den Mann auf dem Beifahrersitz sah. Rex’ Gesicht war von der Sonnenblende überschattet.
» Deine Nachbarn sind anscheinend sehr erfreut, dich zu sehen«, sagte Rex und öffnete seinen Sicherheitsgurt. » Kannst du dir vorstellen, dass Tom Wheeler so winkt und lächelt, wenn er uns sieht?«
» Das sind nicht meine Nachbarn«, sagte ich. » Das sind meine Eltern. Er glotzte mich ungläubig an. » Ich hatte komplett vergessen, dass sie kommen wollten.«
Auf dem Gehweg standen wir einander gegenüber. Rex blieb ein paar Schritte weit hinter mir wie ein Prinzgemahl. Meine Mutter hielt eine Flasche spanischen Wein und eine Tiefkühltasche von Marks & Spencer umklammert.
» Mum, Dad, das ist Rex. Rex, das ist meine Mum, Linda, und das mein Dad, John.«
Ich versuchte, jeden mit den Augen der anderen zu sehen. Mum sah gut aus. Sonnenbräune macht die meisten Frauen älter, aber meine Mutter hat die gleiche Haut wie ich, und sie sieht jung und erfrischt aus, wenn sie sich vierzehn Tage lang am Strand mit Olivenöl bepinselt hat. Nur ihre Kleidung verriet sie: Lidschatten, Kleid und Schuhe waren in ältlich wirkenden, überformell assortierten Hellblau-Schattierungen gehalten. Dad stand stolz in seiner Urlaubsgarderobe da: Safarishorts und ein gelbes Polohemd bildeten einen unglückseligen Kontrast zu seinen Unterarmen, die vom Braten in der Sonne Textur und Farbe einer spanischen Chorizo bekommen hatten. Rex’ Haut leuchtete weiß, und sein Haar und seine Kleidung waren wie immer in einem Zustand seliger Vernachlässigung.
» Das ist eine Überraschung«, sagte Mum.
» Es freut mich so sehr, Sie kennenzulernen, Mrs. Clarke.« Rex schüttelte Mum die Hand. » Ich habe schon so viel von Ihnen gehört.– Mr. Clarke.« Er drückte auch meinem Dad die Hand.
An dem kurzen Blick, der zwischen meinen Eltern hin und her flackerte, sah ich, dass Rex’ Akzent und seine Manieren die vorhersehbare Wirkung hatten.
» Gehen wir hinein.« Rex und ich trampelten über die Post hinweg, die auf der Veranda verstreut lag, aber Dad blieb stehen, hob alles auf und reichte es mir. Ich nahm das Bündel Umschläge, das die Zukunft für vier Menschen enthielt, und legte es zur Seite. Mum hatte Milch mitgebracht, und das war gut so, denn sonst hätte ich nicht Tee und Kaffee für alle machen können, und wir hätten verlegen in der Küche herumgestanden und nicht in unsere Tassen starren können.
» Wie läuft dein Wagen, Karen?«, fragte Dad in die von kleinen, schlürfenden Schlückchen durchbrochene Stille hinein.
» Prima, prima.«
» Bist du in letzter Zeit mal eine ordentliche Langstrecke damit
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