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Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)

Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)

Titel: Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Kelly
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wollte ihm erklären, dass dieses Haus für Biba nur ein Sinnbild für die Liebe und Anerkennung war, die sie von ihrem Vater ersehnte, aber diese perfekt formulierte Aussage blieb gefangen in meinem Schädel. Die Kälte in meinen Gliedmaßen und das Kippen in meinem Kopf verrieten mir, dass ich in wenigen Sekunden bewusstlos werden würde. Mit aller Würde, die ich noch aufbringen konnte, krabbelte ich zu dem orangegelben Sitzsack und rollte mich darauf zusammen, und Guys Musik und seine Stimme verwehten in der Stille.
    Als ich aufwachte, lag Rex, nicht Guy, auf dem grünen Sofa, und das Licht kam von Kerzen, nicht von der Sonne. Er betrachtete mich nachsichtig; offenbar war er schon seit Längerem im Zimmer. Guys Sachen befanden sich säuberlich gestapelt auf dem Tisch, und der blaue Umschlag lag nicht auf dem Boden, wo ich ihn hatte fallen lassen, sondern oben auf dem Sekretär.
    » O Gott.« Ich streckte mich und wollte aufstehen, aber meine Beine waren immer noch wie Wasser. Ich hatte einen schalen Geschmack im Mund. » Wie spät ist es? Ich hab mit Guy geraucht.«
    » Er will also meine Freundin und meine Schwester vergiften, ja?«, sagte Rex, aber er sah gut gelaunt aus.
    » Wie ist es gelaufen?«
    » Gut, glaube ich. Ich meine, ich hab keine klare Zusage von ihm bekommen, und immer wenn ich auf das Haus zu sprechen kommen wollte, hat er das Thema gewechselt. Aber er wird eindeutig milder. Er will, dass wir seine Kinder kennenlernen, sagt er. Ich meine, seine kleinen Kinder.«
    » Aber das ist doch toll!« Ich setzte mich kerzengerade hin. Rex lächelte selten, aber jetzt tat er es. Augen und Zähne funkelten.
    » Ehrlich gesagt, ich glaube, Jules hat ihn bearbeitet. Aber im Grunde ist es mir egal, was dahintersteckt, solange es nur bedeutet, dass wir wieder eine Beziehung zueinander aufbauen können.«
    » Biba wird so glücklich sein.« Ich kroch hinüber zu seinen Füßen und legte den Kopf auf seinen Schoß. Er streichelte mir übers Haar.
    » Und jetzt kommt das Beste«, sagte er. » Ich habe ihm von dir erzählt. Er will, dass du auch kommst.« Sein Lächeln erlosch wie die Flamme an einer abgebrannten Kerze, und die senkrechte Falte zwischen seinen Brauen kehrte zurück. » So viel Glück in meinem Leben, so plötzlich– ich traue der Sache nicht. Mein Dad kommt zurück. Das mit dir. Biba, deren Karriere losgeht. Ich glaube, so glücklich war ich das letzte Mal, bevor meine Mum krank wurde. Eigentlich habe ich nicht geglaubt, dass ich es je wieder sein würde, und ich traue dem Braten noch nicht so ganz. Ich hätte nie gedacht, dass ich das einmal sagen würde, aber eigentlich bin ich ganz froh, dass Guy jetzt hier ist, uns vor den Füßen herumläuft und uns auf die Nerven geht. Er ist so was wie eine Bremse, ein Realitätscheck. Er sorgt dafür, dass das alles nicht zu schön ist, um wahr zu sein.«

DREIUNDZWANZIG
    A n diesem Sonntagmorgen sah die Gegend aus wie ein großstädtischer Garten Eden. Um acht ging ich die Queenswood Lane hinauf, vorbei an der U-Bahn-Station Highgate und über die Archway Road, und die baumbestandenen Straßen wirkten unbevölkert und unverdorben.
    Alle Geschäfte mit Ausnahme des kleinen Supermarkts hatten die Rollläden heruntergelassen, und die Straße, die normalerweise vom dreispurigen Verkehr verstopft war, lag verlassen da; nur ab und zu wartete ein einzelnes Auto oder ein Bus vor der roten Ampel. Über mir führte die Southwood Lane wie ein schmales graues Band nach Highgate Village hinauf. Unterhalb von mir zog sich die Muswell Hill Road auf- und ab- und wieder aufsteigend durch den Wald. Wenn man die Augen zusammenkniff und die Autos ausblendete, war es leicht, dieses Panorama zu einem Sepiafoto erstarren zu lassen, auf dem Edwardianer mit breitkrempigen Hüten und in Vierer- und Fünfergruppen zur Kirche gingen. Rex hätte einen guten edwardianischen Gentleman abgegeben, dachte ich und sah ihn vor mir mit seinem steifen Kragen, wie er seinen Schnurrbart zwirbelte. Biba wäre Schauspielerin und Suffragette gewesen und hätte Schande und Fröhlichkeit in gleichem Maße über die Familie gebracht. Und ich wäre wahrscheinlich eine Gouvernante gewesen.
    Ich kaufte Milch, Zeitungen und einen Liter überteuerten Orangensaft. Bevor ich nach Hause ging, verdrückte ich mich in den Wald, legte mich bäuchlings auf den kühlen, knirschenden Waldboden, breitete die Zeitungen in einer Pfütze Sonnenlicht aus und trank Saft aus dem Karton. Noch einmal dachte ich: ein

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