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Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)

Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)

Titel: Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Kelly
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Ihre Stimme ist noch genau so, wie ich sie in Erinnerung habe: Sie klingt blond und übergriffig und schafft es, das Gespräch zu dominieren, obwohl ich als die Ranghöhere von uns beiden gelten muss. » Ich habe ein paar erstklassige Kontakte im Strafvollzug. Eben erst habe ich ein wirklich saftiges Stück für die BBC fertiggestellt, über Lebenslängliche und das Bewährungssystem. Da war dieser Typ, den ich beobachtet habe… wie hieß er gleich?« Ich höre, wie sie in einem Stapel Papier auf ihrem Schreibtisch blättert, und stelle mir vor, dass es Dokumente zu Rex’ Fall sind, alte Zeitungen und körnige Fotos von uns dreien. Ihre Stimme klingt plötzlich gedämpft, und sie klappert mit den Tasten eines Computers und sucht in einem anderen Datensystem nach den Einzelheiten. » So ein großer Schwarzer. Sie wissen, wen ich meine.« Ich weiß keinen Namen, auf den die Beschreibung passt, aber ich bin jetzt ziemlich sicher, dass sie nicht von Rex spricht. Alison Larch seufzt, und ihre Stimme ist wieder klar zu hören. » Wie auch immer. Tatsächlich bin ich erst im Frühjahr frei. Ich mache eine Serie über Oligarchengattinnen und werde monatelang in Russland sein. Es war reines Glück, dass Sie mich jetzt überhaupt an meinem Londoner Telefon erwischt haben. Welche Vorlaufzeit haben Sie sich denn vorgestellt? Besteht die Chance, das Projekt nächstes Jahr anzugehen? Wie war Ihr Name noch gleich? Wollen wir uns auf einen Kaffee treffen oder so was?«
    » Leider arbeite ich morgen selbst außer Haus«, sage ich, und mein Herz schwimmt auf einer Woge der Euphorie, weil ich jetzt weiß, dass ihr derzeitiges Projekt nichts mit uns zu tun hat. » Ich rufe Sie an, wenn ich wieder da bin.« Und ich lege auf. Eine Stunde später ist die Euphorie vergangen, und ich habe mir überlegt, dass der Anrufer wahrscheinlich ein x-beliebiges Ferkel war, das wir früher » Hechler« genannt hätten. Ich wünschte, ich hätte schon vor Wochen zu diesem Schluss kommen können, zu dieser nächstliegenden aller Möglichkeiten. Die Zeit und Energie, die ich damit vergeudet habe, mir Sorgen zu machen, werde ich von jetzt an lieber darauf verwenden, mich auf meine Zukunft und meine Familie zu konzentrieren. Und morgen rufe ich die Telefongesellschaft an und lasse uns eine neue Nummer geben.
    Rex lässt sich von meiner guten Laune anstecken und bleibt heute Abend nicht auf, um die Nachrichten zu sehen, sondern geht mit mir und unserer Flasche Wein ins Bett, sobald er sicher ist, dass Alice schläft. Wir sind beide kurz davor einzuschlafen, als das Telefon klingelt. Rex klappt das linke Auge halb auf.
    » Das ist bestimmt für mich«, sage ich. » Ich gehe schon.«
    Ich tappe die Treppe hinunter und nehme den Hörer ab. » Hallo?«
    Es folgt ein seltsam vertrautes Schweigen.
    Ich bin sehr angespannt. Ich weiß, man sollte auf telefonische Belästigung niemals reagieren, aber jetzt bin ich müde und wütend, und ich habe genug.
    » Hören Sie, wer ist da?«, frage ich. » Wie kommen Sie an diese Nummer? Sie sollten wissen, dass ich die Polizei über diese Anrufe informieren werde.« Ich höre das Klicken eines Feuerzeugs und ein leises, saugendes Geräusch. Kann ein Seufzer ein eigenes, erkennbares Timbre haben? Kann man jemanden am Atmen genauso wie an der Stimme erkennen?
    » Bist du das?«, krächze ich und höre ein langgezogenes Ausatmen, während ich selbst die Luft anhalte. » Sprich mit mir«, sage ich. » Bitte sprich mit mir.« Die Stimme ist dunkler als früher, heiserer, verunreinigt von den Zigaretten vieler Jahre. Aber der wunderschöne Akzent, das Erste, was ich an ihr geliebt habe, ist rein geblieben.
    » Schätzchen«, fängt sie an.

NEUNUNDZWANZIG
    V ielleicht wird mir gleich schlecht. Mein Mund ist überflutet von überflüssigem Speichel. Ich habe es immer für eine Redensart gehalten, dass einem der kalte Schweiß ausbricht, aber jetzt passiert es mir; meine Handflächen werden davon glitschig und meine Achselhöhlen klamm. Salzwasser tritt auf meine Oberlippe.
    » Biba?«
    » Hallo, Karen«, sagt sie, als hätten wir uns erst gestern unterhalten. Als habe sie nicht soeben mit einem kurzen Ruck an einem losen Faden mein ganzes Leben aufgeribbelt.
    » Wo bist du?« Mehr bringe ich nicht heraus.
    » Am Bahnhof«, sagt sie schlicht. Der » Bahnhof« ist für mich die nächste Station an der Nebenstrecke, zehn oder elf Meilen weit über Land. Murmelnd nenne ich den Namen der Stadt, und es ist eher ein Reflex und weniger

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