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Das giftige Herz

Das giftige Herz

Titel: Das giftige Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Doyle
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zusammen. »Ich werde giftige Köder auslegen.«
    »Ach was, Friedrich, das wirst du nicht tun«, widersprach ihm seine Frau.
    »Doch, ich werd’s schon noch tun.«
    Die Bäckersfrau blickte Pistoux entschuldigend an: »Dass sie Brot nehmen, kann ich ja verstehen, oder auch Lebkuchen. Aber einmal sind sie bis in unsere Wohnstube eingedrungen, als wollten sie uns richtig bestehlen. Deswegen ist er so wütend.«
    Pistoux nickte, aber so ganz klar war ihm nicht, was hier eigentlich vor sich ging.

5 AUFGEKNÜPFT
    Inspektor Wanner wünschte sich, man könnte die elektrische Beleuchtung vom Hauptmarkt abbauen und hier an der Pegnitz aufbauen. Er brauchte Licht, und zwar helles! Stattdessen standen sie hier am Ufer des Flusses, der die Stadt wie eine Lebensader in der Mitte durchzog, und hielten funzelige Laternen in den Händen. Mit diesen erbärmlichen Lichtquellen konnte man kaum einige Meter durch das Schneegestöber hindurchleuchten, geschweige denn erkennen, wie weit der Fluss inzwischen zugefroren war.
    Zwei Wachtmeister standen neben ihm, die Hände aufs Geländer gelegt, das den kleinen Steg zum Fluss hin sicherte. Auch Doktor Seidel, der Gerichtsmediziner, war schon da. Nur Oberrat Schreiber ließ einstweilen auf sich warten. Weil er noch nicht da war, traute sich niemand, etwas zu unternehmen. Dort, wo die Lampen hinleuchtete, sah man Schneeflocken tänzeln. Sonst war es bis auf die Lichter hinter den Vorhängen der umliegenden Häuser dunkel, und man konnte kaum die schattenhaften Umrisse von Mauern und Dächern erkennen.
    Ein Glück, dass es schon Abend ist, dachte der Inspektor. So konnte er zwar kaum etwas erkennen, aber wenn es hell wäre, würde es unter Garantie einen Menschenauflauf geben, ein entsetzliches Durcheinander, womöglich Panik.
    Genau wie die zwei Wachtmeister und der Mediziner konnte auch Wanner seinen Blick nicht von der Brücke abwenden, die hier den Fluss überquerte. Ausgerechnet der Henkersteg, dachte er grimmig. Es war eine bebaute Brücke, ein einstöckiges, niedriges Haus stand auf dem Steg, mit schummrig erleuchteten kleinen Fenstern. Darin wohnte jemand, direkt über dem Fluss, direkt neben dem Schuldturm, der sich undeutlich, aber mächtig in den schwarzen Himmel erhob.
    Wanner und seine Kollegen hatten ihre Blendlaternen direkt auf eine Stelle gerichtet, wo das kleine Wohnhaus in eine Art Lagergebäude überging. Von einer Luke hing dort ein Seilzug herab, und an diesem Seilzug baumelte etwas, was dort nicht sein sollte.
    »Es ist ein Toter«, hatte der eine Wachtmeister ihm bei seiner Ankunft erklärt. Sie hatten ihn durch Zufall entdeckt, als sie am befestigten Flussufer entlangpatrouilliert waren.
    »Ich bin sofort los und habe den Oberrat unterrichtet, und dann habe ich Ihrer Zimmerwirtin Bescheid gesagt«, sagte der zweite Polizist.
    »Es ist ein Mann«, sagte sein Kollege und deutete auf die Stelle, wo der Körper hing. »Sein Gesicht kann man von hier aus nicht erkennen. Er hat ja eine Kapuze auf. Von drüben gibt es keine Möglichkeit, die Stelle einzusehen, weil dort die Turmmauer ist. Aber er er trägt ein Lebkuchenherz auf der Brust.«
    »Ein Lebkuchenherz?«
    »Ja, sehen sie doch, dort.« Der Wachtmeister deutete auf den Toten.
    Ein Herz konnte Wanner tatsächlich erkennen. Es hing an einem Band um den Hals des Erhängten, dessen Körper gänzlich von einem weiten, schwarze Umhang verhüllt wurde.
    »Wer wohnt auf der Brücke?«
    »Ein Kaufmann, Herr Inspektor.«
    »Haben Sie schon mit ihm gesprochen?«
    »Aber nein, natürlich nicht …«
    »Schwer zu glauben, dass einer jemanden umbringt und dann aus dem eigenen Fenster hinaushängt«, brummte Wanner.
    »Ganz recht, Herr Kommissar.«
    »Ich möchte darauf hinweisen«, sagte Dr. Seidel, »dass die Leiche dort womöglich herabfallen könnte. Sollten wir sie nicht endlich abschneiden?«
    »Wir warten auf den Oberrat«, sagte Wanner.
    »Nun gut«, sagte der Arzt ungeduldig. Aber der Oberrat kam nicht.
    Den Männern wurde kalt. Die Schneeflocken blieben auf dem Homburg des Inspektors und dem Zylinder des Arztes liegen und versahen die Helme der Wachtmeister mit einer zuckergussartigen Verzierung. Sie stapften mit den Füßen auf den Boden, um sich warm zu halten.
    Schließlich war Wanner nicht mehr bereit, weiter sinnlos herumzustehen.
    »Nun gut«, sagte er, »gehen wir.«
    Sie stiegen über eine Treppe nach oben und gelangten um einige Ecken herum auf die Brücke. Die gesamte Brücke bestand aus mehreren ineinander

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