Das gläserne Paradies
Maria Schweizer: »Es hätte auch gutgehen können â¦Â«
Doch der Zorn auf den Betrüger wurde auch nach etlichen Tagen noch nicht geringer.
»Du hast doch einmal gesagt, dir wäre der Mann bekannt vorgekommen!« raunte Monika, die Adler-Wirtin, eines Abends ihrem Mann hinter der Theke zu.
Benno zuckte zusammen, als sei er barfuà auf einen spitzen Stein getreten.
»Muà mich wohl getäuscht haben«, murmelte er, was auÃer Monika niemand hörte. Geschäftig machte er sich am Zapfhahn zu schaffen, zog dabei aber ein Gesicht, als wäre ihm jämmerlich zumute. Monika warf ihrem Mann einen fragenden Blick zu, doch schon wurden wieder Rufe nach Bier laut, so daà sie keine Zeit hatte nachzuhaken. AuÃerdem war es nicht ungewöhnlich, daà Benno ein Gesicht zog. Ungewöhnlich wäre jedoch gewesen, wenn ihr Benno so einen Ganoven tatsächlich gekannt hätte. Für Monika war das Thema damit erledigt.
Richard lieà sich nur selten im »Schwarzen Adler« blicken. Vor lauter Arbeit wisse er nicht mehr, wo ihm der Kopf stehe, erklärte er bei einem seiner seltenen Stammtischbesuche Thomas, der diese Bemerkung mit einem abfälligen Prusten beantwortete.
Wenn Richard dann aber doch einmal im Wirtshaus auftauchte, war es stets Anna, die rasch einen Stuhl näher an Richard heranrückte und dabei selig lächelte.
45. K APITEL
Ungelenk wedelte Richard mit seinem Blumenstrauà herum. Kleine orangefarbene Blättchen rieselten von den Astern zu Boden.
»Wanda â¦Â« Er legte die Blumen auf der Waschkommode ab, trat von einem Bein aufs andere.
Wie er dastand! Wie jemand, der einen lästigen Krankenbesuch machen muà und am liebsten nach einer Minute auf die Uhr schauen will, um zu prüfen, ob es sich schon ziemte, den Abschied vorzubereiten.
»Liebster, setz dich doch!« wollte sie sagen. »Oder laà uns nach unten in die Küche gehen, Kaffee trinken und Honigbrote essen, so wie früher.«
»Richard â¦Â«, sagte sie stattdessen, und ihr Herz verkroch sich in sein Schneckenhaus.
Als er die Treppe heraufgepoltert kam, hatte Wanda sofort gewuÃt, daà er es war. O Gott, Eva! Bitte halte ihn in der Küche fest, bis ich mir wenigstens die Haare gekämmt und das Gesicht gewaschen habe! Sie sprang aus dem Bett. Ein Blick in den Spiegel â meine Güte, sie war weià wie Schmalz! Blutleer. Leblos. Ein neues Nachthemd! Wo war ein neues Nachthemd? Sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sie sich das letzte Mal um frische Wäsche bemüht hatte, rià alle Schubladen ihrer Kommode auf â vergeblich. War Eva vor lauter anderer Arbeit nicht mehr zum Waschen gekommen?
Dann wenigstens etwas Duft! Mit zittrigen Händen griff sie erneut in die oberste Schublade, schüttete sich das halbe Fläschchen Lavendelwasser über den Hals, verrieb die Flüssigkeit. Was mache ich hier eigentlich, fragte sie sich gleichzeitig. Zu spät. Alles war zu spät.
Die polternden Schritte waren schon auf der zweitletzten Treppenstufe angelangt â auf der, die immer laut knackte â, als Wanda wieder in ihr Bett gesprungen war, die Decke glattgestrichen und die nach Lavendel stinkenden Hände darunter versteckt hatte.
»Wie geht es dir?« Richard zog den Stuhl vom Fenster ans Bett, setzte sich.
Bemüh dich um einen leichten Ton! Setz dich aufrechter hin! Lächle ihn an!
»Wie soll es mir schon gehen?« erwiderte sie bitter.
Wo warst du die ganze Zeit? Zwei Wochen lang hast du dich nicht blicken lassen!
Als könne er Gedanken lesen, fuhr sich Richard durch die Haare, sagte: »Tut mir leid, daà ich nicht früher gekommen bin, aber du glaubst ja nicht, was bei mir derzeit los ist! Die Ausstellung raubt mir noch den letzten Nerv, sogar nachts vermag ich an nichts anderes zu denken. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal richtig durchgeschlafen habe.« Ein gekünsteltes Lachen folgte. »Gotthilf Täuber ist der Meinung, alles würde wunderbar laufen, es gäbe keinen Grund, aufgeregt zu sein. Wenn ich dann sage, daà mir alles zuviel wird, lacht er nur darüber.«
Wanda nickte. »Deine Ausstellung â¦Â«
»⦠ist am kommenden Sonntag!« ergänzte Richard. »Stell dir vor, fast alle der geladenen Gäste haben ihr Kommen zugesagt! Täuber ist völlig aus dem Häuschen. Es kommen wohl nur
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