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Das gläserne Paradies

Das gläserne Paradies

Titel: Das gläserne Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Schläfe massiert und nach Worten gesucht, um Eva zu erklären, daß seine Tochter einfach ein wenig Ruhe brauchte, um die Katastrophe zu verarbeiten. Dabei verstand er selbst nicht so recht, was in dem Mädchen vorging.
    Sein Brummschädel erinnerte Thomas daran, daß vom Saufen noch nie etwas besser geworden war. Trotzdem bereute er seinen Besuch im »Schwarzen Adler« nicht.
    Ein seltsamer Abend war das gewesen … Natürlich war das Desaster immer noch das einzige Thema. Wie sich der Bierdunst vermischt hatte mit dem Gestank der Angst, der manch einem aus jeder Pore strömte! Und dann die Wut! Auch auf Wanda … Immer wieder mußte Thomas die anderen daran erinnern, daß nicht seine Tochter die Schuld an der Misere trug, sondern der Betrüger, der sich nun irgendwo mit dem Geld der Glasbläser ein feines Leben machte. Johannes, der schmächtige Sohn von Johanna, war von seinem Stuhl aufgesprungen und hatte laut geschrieen: »Wer noch einmal die Amerikanerin beschimpft, bekommt es mit mir zu tun! Schließlich ist sie auch eine Steinmann!«
    Thomas hatte dem Jungen anerkennend zugenickt – er war der einzige gewesen, der offen Wandas Partei ergriff.
    Richard ließ sich an diesem Abend nicht blicken. Die Ausstellung! Damit konnte er ihm allmählich den Buckel runterrutschen! Wehe, er tauchte noch einmal hier auf, um seine Werkstatt zu benutzen! Oder um einen Rat von ihm zu erhalten!
    Ruckartig öffnete Thomas die Tür.
    In Wandas Zimmer war es stockdunkel, die Vorhänge waren zugezogen, kein Licht brannte. Ein säuerlicher Geruch hing in der Luft, ein Geruch, der nicht zu Wanda gehörte, den er eher aus der Kammer seines Vaters kannte.
    Â»Wanda? Schläfst du?«
    Vom Bett war kein Laut zu hören. Sollte er die Tür einfach wieder hinter sich zuziehen? Es war offensichtlich, daß das Mädchen seine Ruhe haben wollte.
    Unsicher tappte er durch den düsteren Raum, um einen der Vorhänge aufzuziehen, als er plötzlich stolperte. Wasser schwappte über seine Hand.
    Â»Ja, verdammt noch mal –« Mit Mühe fand er sein Gleichgewicht wieder, hielt sich am Fenstersims fest.
    Â»Sag mal, was machst du –«
    Sie saß in dem Schaukelstuhl, den er ihr nach ihrer Rückkehr aus Genua ins Zimmer gestellt hatte. Das Schaukeln wird den Säugling beruhigen, hatte er damals gesagt. Nun war er an einer der Kufen hängengeblieben.
    Â»Vater.« Ihre Stimme war rauh, wie bei jemandem, der das Reden nicht mehr gewohnt ist.
    Â»Eva sagt, du hättest das Morgenmahl ausfallen lassen. Aber vielleicht hast du Durst?« Er hielt ihr das Glas entgegen. Du meine Güte, da saß sie hier wie ein Geist im Stockdunkeln! Verflixt noch mal, warum konnte sich Eva nicht um sie kümmern? Oder Richard – der vor allem! Thomas’ Wut auf den Verlobten seiner Tochter wuchs weiter an. War ihm denn ganz gleich, wie es Wanda ging?
    Wie blaß sie war. Wie glanzlos ihre Augen. Thomas spürte, wie sich sein Herz zusammenkrampfte – ein Gefühl, das er so nicht kannte und das ihm nicht gefiel.
    Sie nahm das Glas. Mit zitternder Hand führte sie es zum Mund, trank einen kleinen Schluck. Dann hielt sie es gegen das Sonnenlicht, das streifenförmig ins Zimmer fiel.
    Â»Es hat einen Sprung. Du hast mir ein … kaputtes Glas gebracht …«, preßte sie zwischen bebenden Lippen hervor. Tränen rollten über ihre Wangen.
    Â»Ja, was … Um Gottes willen, Kind! Das habe ich nicht gesehen«, sagte er. »Ich werde dir ein neues Glas bringen! Deswegen brauchst du doch nicht zu heulen!« Er streckte seine Hand aus.
    Â»Laß nur«, flüsterte sie. »Es ist gut so. Das Glas … paßt zu mir. Es ist wertlos, wie ich …«
    Thomas runzelte die Stirn. Hatte Wanda den Verstand verloren?
    Â»Was redest du für einen Unsinn?« entgegnete er barscher, als er wollte. »Der Riß ist zwar ein kleiner Makel, aber deshalb ist das Glas noch lange nicht wertlos. Und du bist es auch nicht! Wie kommst du nur auf so eine dumme Idee?«
    Sie schaute ihn verständnislos an. »Da fragst du noch? Ich bin schuld daran, daß die Glasbläser alles verloren haben! Hätte ich doch nur mein Maul nicht so weit aufgerissen! Allen habe ich es zeigen wollen! Allen wollte ich beweisen, daß ich etwas wert bin. Daß ich wirklich eines Glasbläsers Tochter bin, daß meine

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