Das gläserne Paradies
völlig ignoriert hat. Ha!« David Wagner spie das letzte Wort geradezu aus. Nachdem er tief Luft geholt hatte, sprudelte es weiter aus ihm heraus. »Als ob mir das etwas ausmachen würde! So einen will ich doch gar nicht kennen! Kein Wort über den Betrüger, den er angeschleppt hat! Die Lauschaer haben immerhin gleich am nächsten Tag eine Anzeige gegen Unbekannt auf der Polizeiwache aufgegeben, ich war als Zeuge mit dabei. Viel Hoffnung wurde uns allerdings nicht gemacht, solche Burschen würden es stets gut verstehen, ihre Spuren zu verwischen, hieà es. Eigentlich nahm ich an, daà sich Strobel der Anzeige anschlieÃen würde, aber von wegen! Damit würde er seine Zeit nicht verschwenden, er habe wichtigere Dinge zu tun, meinte er, als ich ihn darauf ansprach â ha!«
Sawatzky blieb nichts anderes übrig, als der Litanei stumm zu lauschen. Seit einer Stunde war sein jugendlicher Freund nun hier. Eine Stunde, die er, Sawatzky, so wunderbar hätte nutzen können.
»Diese Gleichgültigkeit, mit der Strobel über die ganze Angelegenheit hinweggeht! Ich werde den Gedanken einfach nicht los, daà er irgendwie nicht ganz unschuldig daran ist. Ich schaue ihn an und denke: Wenn er schuld hätte, müÃte man ihm das doch ansehen, oder? Dann sage ich mir wieder, mein Gott, wie naiv du bist! Als ob den Menschen ihre bösen Gedanken auf die Stirn geschrieben wären. Und gleichzeitig frage ich mich, wie er das eingefädelt haben soll! Dann werfe ich mir vor, daà ich mich in diese fixe Idee verrenne, weil sie mir so gut in den Kram passen würde, denn dann hätte ich ja wenigstens einen Schuldigen!«
Sawatzky schmunzelte. Für einen jungen Mann besaà David Wagner schon recht viel Einsicht in seine Gedankengänge. Allerdings schien es nicht so, als würde diese Gabe ihn derzeit ein Stück weiterbringen â¦
»Wenn ich ehrlich zu mir gewesen wäre, hätte ich mir gleich eingestehen müssen, daà mir der Mann unsympathisch ist! Von Anfang an! Warum nur habe ich mich auf ihn eingelassen? Ha!«
Sawatzky zuckte zusammen. Die laute Stimme seines jungen Gegenübers ging ihm durch Mark und Bein. AuÃerdem machte ihn das Hin- und Herlaufen ganz nervös.
»Setzen Sie sich doch und â«
»Ich kann Ihnen sagen, warum ich mich auf den Mann eingelassen habe!« David lieà sich nicht beirren. Mit dem Zeigefinger deutete er auf seine Brust und sagte: »Weil ich ein eitler Gockel bin! Weil ich mich geschmeichelt fühlte, daà ein groÃer Geschäftsmann sich mit mir abgibt!«
»Jetzt gehen Sie aber sehr streng mit sich ins Gericht«, sagte Sawatzky. Gedankenverloren streichelte er über ein in hellblaues Leinen gebundenes Buch. »Takt und Ton in allen Lebenslagen« â herausgegeben vor elf Jahren in Leipzig. Ob der Verstorbene nach dieser Lektüre den richtigen Ton gefunden hätte, um jemanden wie David zu beruhigen?
»Was sind das eigentlich für Bücher?« fragte David unvermittelt. »Das sind ja â Hunderte!« fügte er nach einem Blick in eine der Kisten hinzu.
Sawatzky lächelte. »Meine neueste Erwerbung. Ein Schatz!«
»Aber wo um Himmels willen wollen Sie die alle noch unterbringen? Hier steht doch eh schon alles voll!« David machte eine allumfassende Handbewegung. »Wie Sie in diesem Durcheinander überhaupt etwas finden â¦Â«
»Dann muà ich wohl Platz schaffen«, entgegneteSawatzky ebenso trocken wie bedeutungsvoll. »Platz schaffen für etwas Neues â das kann manchmal sehr hilfreich sein. Es bedeutet, Abschied zu nehmen von Dingen, die einen belasten und keinen wirklichen Nutzen mehr bringen. Ja â¦Â«, sagte er gedehnt, »das werde ich wohl tun. Platz schaffen.«
David nickte ohne echtes Interesse. Dann begann er erneut, unruhig hin und her zu laufen.
»Und nun habe ich alle enttäuscht!« Seine flache Hand donnerte auf einen Bücherstapel. »Die Glasbläser, Wanda ⦠Verflixt noch mal, warum muÃte ausgerechnet bei diesem Geschäft ein Betrüger seine Finger im Spiel haben? Es ist das Geschäft des Jahres, ach, was rede ich da! Des Jahrzehntes! Die Aktien der Schlüter-Reederei steigen noch immer, können Sie sich das vorstellen?«
Sawatzky seufzte.
»Diejenigen, die Aktien ergattern konnten, haben sich wirklich eine goldene Nase verdient â¦Â« Wie
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