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Das gläserne Paradies

Das gläserne Paradies

Titel: Das gläserne Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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dieses Fest einer der Höhepunkte des Jahres sein, doch sie selbst fühlte sich derzeit weder jung, noch war ihr nach Feiern zumute. Dafür waren ihre Tage viel zu ausgefüllt mit Sylvie, Richard und Gesprächen mit ihrer Mutter. Fruchtlosen Gesprächen.
    Ruth war in den letzten Tagen immer unruhigergeworden, hatte mehrmals ihre Reisepapiere hervorgekramt, als wolle sie sich versichern, daß der Tag ihrer Abreise tatsächlich näher rückte. Immer wieder flehte sie Wanda an, mitzukommen. Ihr und Sylvie würde es in New York an nichts fehlen, sie würde eine Kinderfrau einstellen, und Wanda würde eine Ausbildung ihrer Wahl beginnen können oder gleich in Stevens Handelsunternehmen mitarbeiten dürfen. Doch am Ende mußte Ruth schweren Herzens einsehen, daß Wanda sämtlichen Verlockungen gegenüber immun und ihr Wunsch, in Lauscha bleiben zu dürfen, ungebrochen war. Doch in einem Punkt blieb Ruth hart – Wandas Hochzeitspläne würden vor ihrer Volljährigkeit garantiert nicht weiter verfolgt werden.
    Die Verstimmung zwischen Mutter und Tochter, die gegenseitigen Vorwürfe machten das Auskommen miteinander nicht leicht. Allerdings bemühten sich beide auch um ausgleichende Töne – das Wissen, daß Ruth demnächst abreisen und man sich nicht so bald wiedersehen würde, verhinderte den größten Groll. Insgeheim wartete Ruth darauf, daß Richard bei ihr vorsprechen würde, doch der Glasbläser war offenbar schlauer als ihre Tochter und ahnte, daß Ruths »Nein« endgültig war.

    Natürlich war es Ruth ein Dorn im Auge, daß Wanda bei Thomas Heimer wohnte und nicht bei Johanna. Gleichzeitig mußte sie einsehen, daß dies die beste Lösung war: Bei Johanna fehlte einfach der Platz, als daß sie eine junge Mutter samt Säugling hätte aufnehmen können, während Thomas Heimer gleich ein ganzes Stockwerk seines Hauses für Wanda hergerichtet hatte. Außerdem gab es Eva, die eine große Entlastung für Wanda war.
    Mit diesen Gedanken im Kopf riß sich Ruth wenige Tage vor ihrer Abreise zusammen und marschierte erneutmit wackligen Knien hinauf ins Oberland. Diesmal ohne Wanda.
    Das Zusammentreffen mit Thomas Heimer verlief äußerst verkrampft. Aber Ruth hatte nichts anderes erwartet und sich deshalb die Sätze, die sie sagen wollte, sorgfältig zurechtgelegt. Dennoch wurde sie gleich zu Beginn aus dem Konzept gebracht. Natürlich hatte sie sich darauf vorbereitet, daß ihr geschiedener Mann zumindest äußerlich nicht mehr viel mit dem jungen Kerl gemeinsam haben würde, den sie einst in einer Nacht- und Nebelaktion verlassen hatte. Aber ihn dann mit seinen grau gewordenen Haaren, seinem nach vielen Jahren an der Lampe bucklig gewordenen Kreuz zu sehen, war doch etwas anderes. Dasselbe galt für Wilhelm Heimer, ihren Schwiegervater, der, im Schaukelstuhl in der Küche sitzend, sie nicht einmal mehr erkannte. War das wirklich der großspurige Mann, vor dem sie damals regelrecht Angst gehabt hatte?
    Im stillen mußte Ruth jedoch Wanda recht geben, die nicht müde wurde zu betonen, wieviel sich im Hause Heimer zum Besseren gewandt hatte. Alles machte in der Tat einen gepflegten, beinahe freundlichen Eindruck. Die einstmals so düstere Küche war hell und ausgesprochen sauber. Auf der Anrichte neben dem Tisch lagen, mit einem schneeweißen Tuch abgedeckt, ein Laib Brot und einige geräucherte Würste. Der Senftopf hatte keine eingetrockneten Ränder, und direkt daneben stapelten sich dicke, weiße Porzellanteller. Wahrscheinlich waren sie schon hergerichtet für das Mittagsmahl. Für eine Familie, in der früher alle ihre Löffel in einen einzigen schmierigen Napf getaucht hatten, war das in der Tat ein Fortschritt! Ruth zerriß es dennoch fast das Herz bei dem Gedanken, daß sich Wanda mit so einem schlichten Lebenzufriedengeben wollte, wo sie das Beste hätte haben können. Den einzigen Trost fand Ruth in der Tatsache, daß ihrer Tochter bei dieser Lösung wenigstens Richards Hütte erspart bleiben würde …
    Natürlich wollte Thomas von Ruths Vorschlag, für Wandas Unterhalt zu zahlen, nichts hören. Ob sie etwa glaube, er könne für seine einzige Tochter nicht aufkommen, fuhr er sie beleidigt an. Und daß es für ihn eine Selbstverständlichkeit sei, für Wanda und Sylvie aufzukommen, bis Richard es übernehmen

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