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Das gläserne Paradies

Das gläserne Paradies

Titel: Das gläserne Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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einfach ebenfalls deine Koffer und kommst nach Hause!« Ruth schluchzte einmal auf und drückte ihre Tochter so fest an sich, daß Wanda fast die Luft wegblieb.

10. K APITEL
    Nachdem Hansens Pferd einen letzten Eimer Wasser ausgetrunken hatte, setzte sich der Wagen endlich in Bewegung.
    Anna tat sehr geschäftig, als wolle sie sogleich jeden Zweifel darüber ausräumen, wer von nun an die Herrin im Haus war. Ohne weitere Worte zu verlieren, eilte sie hinein, und Johannes trottete mit gesenktem Kopf hinter ihr her.
    Mit Sylvie, die inzwischen eingeschlafen war, machte sich Wanda auf den Weg ins Oberland. Geräuschvoll zog sie immer wieder die Nase hoch, die vom vielen Weinen ganz verstopft war.
    Â»Wenn alle Stricke reißen, kommst du nach Hause« – die Worte ihrer Mutter hallten in ihr nach. Warum hattesie nicht erwidert, daß sie längst zu Hause war? Daß Lauscha ihr Zuhause war? Es lag nur an dem dicken Kloß in ihrem Hals, daß sie diese Worte nicht hatte aussprechen können. Und noch etwas: Wenn hier ihr Zuhause war, warum nur fühlte sie sich dann so seltsam verloren?
    Alles war wie immer, im Dorf herrschte dieselbe Betriebsamkeit wie an anderen Tagen auch, und dennoch kam es ihr vor wie ein Garten, aus dem die Sonne gewichen war und in dem man deshalb nicht mehr sitzen mag.
    Waren wirklich erst wenige Wochen vergangen, seit sie ihren Traum, Richard noch in diesem Sommer heiraten zu können, begraben mußte?
    Richard … Wandas Befürchtung, er werde sich durch Ruths Nein in seiner Ehre gekränkt fühlen, war nicht eingetroffen. Heimlich hatte Wanda damit gerechnet – und vielleicht auch ein wenig darauf gehofft –, daß er Himmel und Erde in Bewegung setzen würde, um Ruth doch noch auf seine Seite zu bringen. Aber er hatte die ganze Angelegenheit auf seine Art genommen. »Wer weiß, wofür der Aufschub gut ist«, hatte er gesagt.
    Aufschub? Wanda wollte schon seine Wortwahl monieren, als er hinzufügte: »Aufgeschoben ist nicht aufgehoben!« So könne er sich wenigstens in aller Ruhe seinem neuen Auftrag widmen, mit dessen schriftlicher Bestätigung er nun jeden Tag rechne. Dieser werde ordentlich Geld in seine Kasse bringen, und Geld könne die kleine Familie doch weiß Gott gebrauchen. Die Umbaumaßnahmen am Haus, die Hochzeitsfeier … An dieser Stelle hatte er inbrünstig geseufzt und die Stirn in tiefe Falten gelegt. Lachend eröffnete Wanda ihm, daß ihre Mutter sich mit dem Gedanken trug, ihnen zur Hochzeit ein Haus zu schenken. Und daß damit seine Zukunftssorgen doch sicher nicht mehr ganz so groß waren.
    Â»Machst du Witze?« fragte er ungläubig. Seine Begeisterung hatte, als Wanda ihm klar machte, daß die Mutter es ernst meinte, keine Grenzen gefunden. Gemeinsam hatten sie sich ausgemalt, wie ihr neues Haus einmal aussehen sollte. Natürlich würde es auf der Sonnenseite von Lauscha liegen und fließend Wasser und Strom haben. Und eine große Tür, die in einen großen Ausstellungsraum für seine Glaswaren führte. Platz und Licht und weiße Wände! Damit würde er seinem Traum, einmal ein feines Ladengeschäft zu besitzen, in dem sich betuchte Kundschaft aus nah und fern einfand, ein gutes Stück näher kommen. Er hatte gelacht, Wanda umarmt und gemeint, dies sei der beste Beweis dafür, daß alles zwei Seiten habe und es an jedem Menschen selbst liege, die gute davon zu sehen. Plötzlich war es auch Wanda gelungen, die gute Seite von Mutters Nein zu sehen.
    Richard, der Optimist … Sie wischte die letzten Tränen fort und schmunzelte.
    Ein Glasgeschäft der feinsten Art … Es war schon bewundernswert, wie zielstrebig er seinen Traum verfolgte.
    Wanda war so in Gedanken vertieft, daß sie die zusammengekauerte Gestalt unter dem Kirschbaum im Garten von Karl dem Schweizer Flein erst gar nicht sah. Sie war schon fast an dem Haus vorbei, als ein gepreßtes Schluchzen sie aufschrecken ließ.
    Â»Maria! Ist alles in Ordnung? Kann ich dir irgendwie helfen?« Wanda stellte den Kinderwagen ab, war mit einem Satz am Gartenzaun und schaute erschrocken zu der alten Frau.
    Maria Schweizer machte eine abwehrende Handbewegung, hielt die andere Hand jedoch weiter vors Gesicht. Ihr ganzer Leib wurde von harten Schluchzern geschüttelt.
    Unsicher blieb Wanda stehen. Doch dann löste sie den Haken des Gartentürchens und

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