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Das gläserne Paradies

Das gläserne Paradies

Titel: Das gläserne Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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sehnsüchtigen Blick zu. Wie jedesmal, wenn sie ihn anschaute, durchfuhr sie ein leichter Schauer.
    Wie gut er aussah! Wie seine Augen unter den dunklen Stirnlocken hervorblitzten, wie aufmerksam er seinem Nachbarn zuhörte! Als ob ihn nichts auf der Welt mehr interessierte. Kein Wunder, daß er im ganzen Dorf so beliebt war.
    Wanda seufzte leise. Seit jener Nacht in Bozen, kurz bevor sich Richard auf den Weg zu der Kunstausstellung inVenedig gemacht hatte und sie zu Marie gefahren war, waren sie sich nicht mehr nähergekommen. Ständig wuselte jemand um sie herum, und wenn sie tatsächlich einmal allein waren und Zeit für Zärtlichkeiten gehabt hätten, begann Sylvie zu schreien. Dabei sehnte sich Wanda so sehr nach ihm! Ihrem Mann …
    Ein leichter Schubs in ihre Seite ließ sie kurz darauf zusammenzucken.
    Â»Willst du was essen?« Richard nickte in Richtung der Wandtafel, auf der Benno, der Wirt, mit dicken Kreidebuchstaben vermerkt hatte, daß es außer Bratkartoffeln auch noch Schweinskopfsülze und Bratwürste mit Kraut gab.
    Wanda schüttelte den Kopf. »Mir ist der Appetit vergangen.«
    Richard seufzte. »Wenn es wegen des Glases ist … Schwamm drüber! Scherben bringen Glück, so heißt es doch, oder?« Er grinste. »Und ich glaube, deine Mutter war recht angetan von mir, was für ein Glück! Was hat sie denn gesagt, als ihr wieder allein wart?«
    Wanda schluckte. »Sie … Sie hält dich für – einen sehr zielstrebigen und energiegeladenen Mann.«
    Richards Augen weiteten sich, dann strahlte er übers ganze Gesicht. »Na also!« Er drückte Wanda einen raschen Kuß auf die Wange. »Ehrlich gesagt hast du mir ganz schön angst gemacht mit deinem Gerede darüber, wie sehr deine Mutter Wert auf Äußerlichkeiten legt. Daß ihr mein Haus vielleicht zu ärmlich vorkommen könnte und so. Aber anscheinend ist es mir doch gelungen, sie davon zu überzeugen, daß es dir an nichts fehlen wird …«
    Wanda lächelte gequält. Richard hatte sich wirklich alle Mühe gegeben. Hatte alte Auftragsformulare von Gotthilf Täuber angeschleppt, um zu zeigen, was er in derVergangenheit schon geleistet hatte. Er erklärte Ruth anhand seiner Gläser, wie er venezianische Techniken mit alter Lauschaer Glaskunst vereinte und damit etwas ganz Einmaliges schuf. Ja, er erzählte Ruth sogar von seinen Träumen, einmal ein eigenes elegantes Ladengeschäft zu besitzen, in dem sich die feinste Kundschaft die Klinke in die Hand gab. Er sagte, daß es ihm um die hohe Kunst des Glasblasens ginge, daß er darin seine Zukunft sehe. Und daß er sich sicher sei, damit genug für sich und seine Familie verdienen zu können.
    Mutter hatte aufmerksam zugehört. Krampfhaft hatte Wanda versucht, aus ihrer unbeweglichen Miene etwas deuten zu können – vergeblich.
    Warum hat er sich nicht mehr darüber ausgelassen, wie er sich das Leben mit mir und dem Kind vorstellt? ging es Wanda unvermittelt durch den Kopf. Glas, Glas, Glas – ausgerechnet das Thema, das für Mutter inzwischen wie ein rotes Tuch war! Der Gedanke ärgerte sie plötzlich. Vielleicht hätte Mutter der Hochzeit zugestimmt, wenn Richard weniger übers Glasblasen und dafür mehr über praktische Dinge wie den Ausbau der Dachkammer, das Erneuern der Fenster und den Einbau eines neuen Ofens gesprochen hätte. Es war ja nicht so, als ob sie über all das noch nie gesprochen hätten!
    Â»Daß wir so lange auf dich warten mußten, hat bei Mutter natürlich keinen sonderlich guten Eindruck hinterlassen«, sagte sie schnippisch.
    Â»Das war wirklich etwas ungeschickt«, gab Richard zu. »Aber ich konnte Karl den Schweizer Flein nicht einfach auf der Straße stehenlassen, als er mir erzählte, daß die Gründler-Hütte verkauft werden soll. Der Mann arbeitet seit einer Ewigkeit dort, da ist es doch selbstverständlich, daß ihm so eine Nachricht Sorgen bereitet!«
    Â»â€ºSorgen bereitet‹ ist gut«, sagte Hansens Sohn, der offenbar mit einem Ohr das Gespräch zwischen Richard und Wanda mitgehört hatte. »Eine Katastrophe ist das!« Er schaute in die Runde. »Es ist doch immer dasselbe: Am Ende sind wir Glasbläser die Angeschmierten!«
    Die Stammtischrunde nickte. »Ein Sonneberger Verleger als Hüttenbesitzer! Das ist der Anfang vom Ende«,

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