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Das gläserne Paradies

Das gläserne Paradies

Titel: Das gläserne Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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eingeredet. In all den Ehejahren hätten sich Johanna und Peter keinen Urlaub geleistet – stets hätte das Geschäft an erster Stelle gestanden. Nun, wo die Kinder groß und in der Lage waren, die Eltern für einige Wochen zu vertreten, wäre es nur rechtens, wenn sich Johanna und Peter eine Atempause gönnten. Und welchen aufregenderen Ort als New Yorkgäbe es dafür? Man stelle sich vor: Sie drei gemeinsam auf der Überfahrt und am Ende Steven, der sie begeistert empfangen würde! Es war Peter gewesen, der sich zuerst für den Gedanken erwärmte. Je älter man werde, desto schneller eilten die Jahre vorbei, hatte er geseufzt. Womöglich sei es irgendwann für eine solch große Reise zu spät? Es mache ihr nichts aus, später einmal ihrem Herrgott gegenüberzustehen, ohne vorher New York gesehen zu haben, hatte Johanna ihm darauf geantwortet. Wenn es Peter nach Erholung dürste, könne man genausogut für ein paar Tage in den Bayerischen Wald fahren. Erst, als Peter meinte, daß man eine New-York-Reise auch zum Beleben von Geschäftskontakten nutzen konnte, hatte sie nachgegeben. Ruth hatte daraufhin alles in die Wege geleitet: Steven sollte von New York aus die Billetts für das Schiff von Hamburg nach New York bestellen. Die Unterlagen würden im Hamburger Hafen auf sie warten, alles kein Problem! Von da an hatte es kein anderes Thema mehr gegeben als die Frage, was Johanna und Peter in New York alles sehen und unternehmen wollten. Die Programmpunkte, angefangen bei Besuchen im Theater bis hin zu Kundengesprächen, wurden immer umfangreicher. Wanda zweifelte, ob sich auch nur die Hälfte davon bewältigen ließ. Wenn sie daran dachte, wie erschöpfend Marie die große Stadt gefunden hatte …
    Doch inzwischen schien sowohl Peter als auch Johanna jede Unternehmungslust vergangen zu sein.
    Unwillkürlich mußte Wanda daran denken, wie Richard und sie im Frühjahr in Richtung Bozen aufgebrochen waren. Auch er hatte zehnmal seinen Fahrschein kontrolliert und die Nummer darauf mit der Nummer des Sitzplatzes in ihrem Zugabteil verglichen. Und als Wanda ihm die mitgebrachten Brote hatte geben wollen, hatte erihr leise zugezischt: »Pack das sofort wieder weg! Es muß doch nicht jeder merken, daß wir die Löffelschnitzer aus den Bergen sind, oder?« Wanda hatte damals nur gelacht und sich mit gutem Appetit über das Essen hergemacht. Es hatte gedauert, bis sich Richard so weit entspannte, daß er die Reise genießen konnte.
    Sind vielleicht alle Lauschaer so? fragte sich Wanda nun, während Johanna weiter Wirbel verbreitete. Waren sie so fest mit ihrem Zuhause verwurzelt, daß allein der Gedanke daran, Lauscha verlassen zu müssen, sie ängstigte?
    Â»Jetzt laßt mich nachprüfen … Die Tasche mit den Schuhen, unsere Mäntel, die Koffer mit unserer Kleidung«, murmelte Johanna vor sich hin. »Johannes! Wo ist der Korb mit dem Reiseproviant? Was heißt das, du weißt es nicht?« Mit in die Hüfte gestemmten Händen schaute Johanna ihren Sohn an. »Herrje, wenn auf den Bub schon jetzt kein Verlaß ist, was soll dann erst werden, wenn wir weg sind …«, grummelte sie vor sich hin.
    In einem Moment seltener Übereinstimmung grinsten sich Wanda und Anna an. Wanda legte Sylvie über ihre Schulter, dann ging sie auf ihre Tante zu und umarmte sie fest.
    Â»Es wird schon nichts schiefgehen«, sagte sie. »Euer Geschäft ist bei Anna und Johannes in guten Händen. Und alle anderen werden auch ihr Bestes geben, ihr habt schließlich eine wunderbar eingespielte Mannschaft! Es sind doch nur drei Monate, und bis das Weihnachtsgeschäft anläuft, seid ihr längst wieder zurück.«
    Mit zitternder Unterlippe schaute Johanna ihre Nichte an. »Fast vier Monate werden wir wegbleiben, nicht nur drei!«
    Â»Dann sind es eben fast vier Monate – Abschiednehmen tut immer weh, so ist das nun mal …« Wanda zwang sich zu einem aufmunternden Nicken.
    Â»Kind …« Im nächsten Moment hüllte der vertraute Duft von Lilien und Magnolien sie ein, und Ruth schlang ihre Arme um sie.
    Wandas Frohsinn erlosch wie eine Flamme, die ein zu starker Windhauch ausgepustet hatte. »Mutter … Du … du wirst mir so fehlen«, nuschelte sie an Ruths Schulter, während ihre Augen naß wurden.
    Â»Wenn alle Stricke reißen, packst du

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