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Das gläserne Paradies

Das gläserne Paradies

Titel: Das gläserne Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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habe die Teile bemalt, bis meine Hände nur noch zitterten!« Als wolle sie ihre Aussage unterstreichen, hielt sie ihre abgearbeiteten Hände in die Höhe.
    Angestrengt dachte Wanda darüber nach, welche Auswirkungen es haben würde, wenn nun ein Verleger die Gründler-Hütte kaufte. Übernahm er damit denn nicht mehr Verantwortung? Änderte sich dadurch das ausbeuterische System nicht zum Besseren für die Lauschaer? Sie wollte Maria gerade danach fragen, als diese erneut anhob.
    Â»Was war das für ein Freudentag, als es hieß, Karl könne in der Gründler-Hütte anfangen! Endlich eine Arbeit, bei der man schon am Anfang eines Monats wußte, was am Ende dabei herausspringen würde. Und jetzt? Eher würde er sich vor den Zug werfen, als auch nur einen Tag wieder für einen Verleger zu arbeiten, sagt Karl. Er … er ist nichtmehr er selbst, seit bekannt ist, daß …« Maria verstummte und hielt sich wieder ihre geschwollene Wange. »Er kommt abends nicht mehr heim, trinkt die halbe Nacht, und morgens läßt er dann seine Laune an mir aus. So kenne ich ihn gar nicht, er war mir doch immer ein guter Mann!«
    Wanda nickte lahm, während sie darüber nachgrübelte, wie sie aus dieser Situation rauskam. Konnte es sein, daß sich Karl der Schweizer Flein ein wenig anstellte? Eine kleine Portion von Richards Optimismus täte dem Mann sicher gut!
    Â»Mein Bruder ist Porzellanmaler, der könnte Karl Arbeit geben, ich würde ihn sogar danach fragen. Ha, du hättest mal hören sollen, wie sich Karl aufgeführt hat, als ich das vorschlug! Ich soll Tag für Tag Pfeifenköpfe und Broschen bemalen? hat er geschrieen, als hätte ich vorgeschlagen, er solle die Latrinen von Lauscha leeren. Porzellan wäre nur ein billiger Ersatz für Glas, kein ernsthafter Künstler würde je erwägen, mit Porzellan zu arbeiten.« Maria Schweizers Blick war fast flehend. »Ich meine – irgendwie ist das auch zu verstehen, oder?«
    Â»Nun ja …« Wanda zuckte mit den Schultern. Im Amerikanischen gab es ein Sprichwort, das lautete: »Beggars can’t be choosers« – Bettler dürfen nicht wählerisch sein. Aber sie verkniff sich eine derartige Bemerkung.
    Unter gesenkten Lidern warf sie Maria einen Blick zu. Wie müde sie aussah! Als bereite ihr die ganze Sache körperliche Schmerzen …
    Schmerzen? Hatte Karl Maria etwa geschlagen? Hielt sie sich deswegen die Wange?
    Der Gedanke ängstigte Wanda. Karl, genannt der Schweizer, weil er in jungen Jahren die Schweiz bereist hatte, schlug aus lauter Angst vor der Zukunft seine Frau? Der Mann, auf den Marie so große Stücke gehalten hatte? DerMann, auf den auch Johanna und Ruth nichts kommen ließen?
    Â»Davon hast du keine Ahnung« – Marias Bemerkung zu Beginn des Gespräches, der Satz, den Wanda so sehr haßte, traf nun wirklich zu. Verflixt, hier konnte sie weder Rat geben noch Trost spenden.
    Dennoch versuchte sie sich an letzterem. Sie legte Maria eine Hand auf den Arm.
    Â»Jetzt laß doch nicht den Kopf hängen! Meistens wird nicht alles so heiß gegessen wie gekocht.« Sie hätte sich für diese Platitüden selbst ohrfeigen können, aber etwas anderes fiel ihr nicht ein. Also fuhr sie fort: »Neben all den Halunken gibt es doch sicher auch redliche Verleger, und bestimmt sucht Alois Gründler einen solchen für seine Glashütte aus. Einen, der es gut mit den Glasmachern meint! Du wirst sehen, am Ende wird alles gut werden …«
    Maria Schweizer sah nicht wesentlich sorgloser aus als zu Beginn ihres Gesprächs, trotzdem nickte sie mit dem Kopf, als würde sie Wanda recht geben.
    Â»Hoffen wir, daß du recht hast. Ich glaube jedoch viel eher, daß Lauscha damit vollends vor die Hunde geht … Sei froh, Mädchen, daß dich das alles nicht betrifft! Und verzeih einer alten Frau, daß sie ihre Sorgen bei dir abgeladen hat.«

    Da habe ich mich wieder einmal sehr hilfreich angestellt, ärgerte sich Wanda, als sie kurze Zeit später ihren Heimweg fortsetzte.
    Bestimmt hätten Mutter oder Johanna die richtigen Worte gefunden. Worte des wahren Trostes und der Zuversicht.
    Auf halbem Weg hielt Wanda inne und wischte sich den Schweiß von der Stirn. War sie sich dessen so sicher?Der bevorstehende Verkauf der Gründler-Hütte wurde zwar in ganz Lauscha diskutiert, aber

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