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Das gläserne Paradies

Das gläserne Paradies

Titel: Das gläserne Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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füttern und einmal ihre Windeln hatte wechseln müssen, fühlte sie sich so frisch wie der Morgen, der in seinem Kleid aus silbrigen Tautropfen strahlte.
    Dieser Richard … Verflixt noch mal, er hatte ja recht! Sie war wirklich eine Ignorantin. Wußte von allem nichts oder noch weniger. Aber hatte er das wirklich vor allen anderen sagen müssen?
    Â»Du warst noch nie in einer Glashütte, aber mitreden willst du?« hatte er gesagt.
    Mitreden, miteinander reden – was war denn dagegen einzuwenden? Fahrig wischte sich Wanda ein tiefhängendes Spinnennetz aus dem Gesicht.
    Ignoranz – nein, das wollte sie sich von ihm nicht nachsagen lassen.
    Irgendwie waren die Männer doch alle gleich. Kaum kam eine Frau mit einer guten Idee daher, wurde es ihnen mulmig. Am liebsten wäre es ihnen wohl gewesen, wenn alles immer beim alten bliebe.
    Unwillkürlich mußte Wanda an Marie denken und gab einen lauten Schnaufer von sich. Ha, sie konnte sich den Aufstand gut vorstellen, den es im Dorf gegeben hatte, als herauskam, daß eine Frau es wagte, das Glasbläserprivileg der Männer zu brechen. Mehr als zwanzig Jahre war das nun her! Hatte sich seit damals gar nichts geändert?
    Noch immer gab es nur eine Handvoll Glasbläserinnen, unter ihnen Cousine Anna. Noch immer zogen die Frauen es vor, das Versilbern, Bemalen und Verpacken derGlaswaren zu übernehmen. Außer Johanna kannte Wanda auch keine andere Frau, die eigenständig die Geschäfte einer Glasbläserei leitete.
    Sie dachte an die Worte, die Michel am Abend zuvor gesagt hatte. Wanda hatte sich über den beißenden Ton in seiner Stimme gewundert, aber war so eine Bemerkung nicht typisch für Michel? Er, der in seinem Leben nie etwas wirklich Großes zustande gebracht hatte, mußte ja neiderfüllt auf Leute schauen, denen dies gelang. Und wenn es sich dabei auch noch um Frauen handelte …
    Um Steinmann-Frauen.
    Wie Marie und Johanna. Und wie Ruth.
    Und wie auch Wanda.

    Wenige Minuten später war sie an ihrem Ziel angekommen. Rein optisch macht der große, viereckige Kasten nicht viel her, ging es ihr durch den Kopf, während sie das Gebäude umrundete, um den Eingang zu finden. Auf einem steinernen Sockel erhob sich eine Art riesige hölzerne Scheune. Nur die vielen kleinen Fenster ringsum und die klirrenden und schlagenden Geräusche, die nach draußen drangen, zeigten an, daß hier kein Heu gelagert wurde, sondern Menschen arbeiteten. Und natürlich der turmhohe Kamin auf der Rückseite der Hütte.
    Am Eingang angekommen, zögerte Wanda. Sollte sie wirklich einfach so hineinspazieren und …
    Bevor sie sich ein Herz fassen konnte, wurde die Tür von innen aufgerissen. Im nächsten Moment prallte sie mit einer hünenhaften Figur zusammen, die einen lauten Fluch ausstieß. Erschrocken wich sie zurück.
    Â»Die Amerikanerin – was willst du denn hier, Mädchen?« Karl der Schweizer Flein schaute stirnrunzelnd auf sie herab.
    Wanda legte ihren Kopf in den Nacken und strahlte den Mann an.
    Genau ihn hatte sie aufsuchen wollen! Und nun stand er vor ihr und begrüßte sie in seinem für Lauscha so typischen melodischen Singsang. War das nicht ein gutes Omen?
    Den scharfen Schweißgeruch, der von seinen Achseln ausging, ignorierend, holte sie tief Luft und sagte: »Ich würde mir gern einmal die Gründler-Hütte anschauen!«

    Â»So, nun hast du alles gesehen!« Wie ein Gutsbesitzer, der hoch zu Roß seine weitläufigen Ländereien vorführt, schaute sich Karl der Schweizer Flein in der Hütte um.
    Â»Als Obergeselle bin ich dafür verantwortlich, daß der ganze Laden läuft. Ohne meine Anweisungen …« Er brach ab und zuckte mit den Schultern. Aber seine Augen glänzten, und der Stolz in seiner Stimme war nicht zu überhören.
    Wanda fächelte sich mit den Händen Luft zu.
    Â»Ich … ich bin noch völlig überwältigt«, stieß sie hervor. »Als ich vorhin hier hereinkam, habe ich nur gedacht: Puh, was für ein heilloses Durcheinander! Aber nun sehe ich, wie unglaublich geordnet alles vonstatten geht. Alles ist perfekt organisiert, alle arbeiten so diszipliniert!« Sie machte eine Handbewegung in Richtung der riesigen Schmelzöfen, wo die Schürer damit beschäftigt waren, das Feuer zu unterhalten, wo Glasmacher Hand in Hand zusammenarbeiteten, wo Einträger

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