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Das gläserne Paradies

Das gläserne Paradies

Titel: Das gläserne Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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rannte davon.
    Einem Wagen mit Holz ausweichend, ging Wanda zu Gustav hinüber. Nach ein paar freundlichen Worten zur Begrüßung sagte sie: »Ich frage mich, was sich ändern wird, wenn die Gründler-Hütte wirklich an einen fremden Herrn verkauft wird. Wenn er schlau ist, läßt er doch alles beim alten, oder?«
    Gustav legte eine riesige Glasschale, die er gegen das Licht gehalten hatte, vorsichtig auf dem Tisch ab.
    Â»Welcher Hüttenbesitzer ist schon schlau?« murmelte er vor sich hin. »Von der eigentlichen Arbeit haben die doch keine Ahnung.«
    Der Sortierer nahm eine weitere Schale in die Hand und hielt sie prüfend gegen das Licht.
    Â»Am eigentlichen Betriebsablauf wird der Neue wahrscheinlich nicht viel ändern, aber was die Fabrikordnung angeht …« Er schnaubte leise. »Er kann die Arbeitszeiten verlängern, er kann bei Fahrlässigkeit zur Strafe mehr Lohn als bisher abziehen, er kann strengere Maßstäbe beim Sortieren der Ware anlegen … Mein Posten wird wahrscheinlich der erste sein, den der Neue mit einem andern Mann besetzt! Außerdem kann er –« Er brach ab und starrte verlegen über Wandas Schulter.
    Â»Wen haben wir denn da? Du bist doch … Thomas Heimers Tocher! Die Amerikanerin. Welchem Anlaß haben wir die Ehre deines Besuches zu verdanken?«
    Vor Wanda stand ein unscheinbarer Mann mit maskenhaft reglosem Gesicht. Er war von mittlerer Größe, hatte ein ungewöhnlich breites Hinterteil und einen sehr viel schmächtigeren Oberkörper. Dünne Arme hingen von schmalen Schultern herab – man hatte den Eindruck, daß bei ihm alle Proportionen verschoben waren.
    Sie schluckte. Das war also Alois Gründler. Der Mann, der ganz Lauscha in hellen Aufruhr versetzte. Der Mann, der seinen Lebenstraum wahr machen und nach Amerika auswandern wollte. Der aussah, als wäre bei ihm der falsche Oberkörper auf dem falschen Unterleib gelandet.
    Â»Ich …« Krampfhaft suchte Wanda nach einer Erklärung für ihren Besuch in der Hütte.
    Â»Das mit deiner Tante Marie tut mir leid. Ich kannte sie zwar nicht persönlich, habe aber viel von ihr gehört – wer hat das nicht?« sagte Gründler. »Und außerdem hat sie ja mit unseren Rohlingen gearbeitet, war sozusagen ein guter Kunde!« Er lachte kurz auf.
    Â»Herr Gründler, Sie wollen Ihre Glashütte verkaufen – ich bin gekommen, um zu erfahren, was sie kostet!« Bevor Wanda etwas dagegen machen konnte, purzelten die Worte aus ihrem Mund. Im selben Moment erklang hinter ihr am Sortiertisch das Klirren von Glas. Gustav zog hörbar die Luft ein und fluchte vor sich hin.
    Vor lauter Aufregung begann an Wandas Hals eine Ader heftig zu pochen. Jetzt nur nicht bange machen lassen, sagte sie sich, während der Mann ihr gegenüber ebenfalls um Fassung rang.
    Â»Du willst – was?« Er schaute sie mit demselben Blick an, mit dem Gustav die Glasteile am Sortiertisch prüfte. Als wolle auch er prüfen, ob Wanda einen Sprung hatte. Der Gedanke war so komisch, daß Wanda nervös kicherte.Sollte er ruhig entgeistert gucken! Vor allem aber sollte er seinen Preis nennen.
    Unbezahlbar konnte die Hütte eigentlich nicht sein, im Grunde genommen handelte es sich doch lediglich um einen riesigen Ofen mit einer Scheune ringsherum.
    Â»Würden Sie mir Ihren Preis nennen?« wiederholte sie mit dem Augenaufschlag, der ihr in jeder noch so überfüllten New Yorker Bar einen Sitzplatz und prompte Bedienung garantiert hatte. O Gott, was machte sie hier eigentlich? Richard würde ihr den Kopf abreißen, wenn er von ihrem Auftritt erfuhr! Vater würde schimpfen, sie nicht ganz bei Trost heißen und –
    Â»Das geht dich nichts an«, kam es schroff zurück. »Es gibt längst einen Interessenten – einen Mann aus Sonneberg. Zwischen ihm und mir ist alles geregelt.« Er warf drohende Blicke um sich. »Was ist, werdet ihr fürs Nichtstun bezahlt?« Einen Moment lang brach das Maskenhafte in Gründlers Miene auf. Hilflosigkeit und andere Gefühle, die Wanda nicht zu deuten wußte, huschten über sein Gesicht. Doch schon im nächsten Moment schien er sich wieder im Griff zu haben. Er stellte sich noch ein wenig breitbeiniger hin, als wolle er dadurch noch mehr Stärke demonstrieren.
    Einige der Männer taten eilig so, als widmeten sie sich

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