Das gläserne Tor
meinte.«
»Ich war so müde. Und bin es noch. Ich möchte schlafen und aufwachen in … einem Bett. Nicht hier. Die Wüste ist schrecklich.«
»Das ist sie. Nun, wie es aussieht, ist deine Hoffnung auf ein anständiges Bett in Argad nicht umsonst. Diese Männer dort sind ebenfalls auf der Suche nach dem letzten Gott. Es gab nicht nur den einen Suchtrupp. Es gibt noch drei weitere. Jeder König des Hochlandes schickte einen aus. Die von Scherach und Praned zogen nach Norden und Westen. Die Trupps von Argad und Hersched gingen in südliche Richtung.«
»Warum nicht auch nach Osten?«
»Du denkst mit, Feuerköpfchen«, sagte er, was sie pikiert die Stirn runzeln ließ. Es war nun wirklich kein Kunststück, darauf zu kommen. »Die Priester der Herscheden vermuten die Oase ebenfalls hier irgendwo. Außerdem ist im Osten nichts. Das hier ist Wüste, aber sie ist vielfältig und, nun ja, wie man sieht, gibt es ein Volk, das darin lebt. Ostwärts des Hochlandes ist nur totes Land, und jenseits davon ist Temenon.«
»Vielleicht ist diese Oase ja dort?«
»Das kann schon sein. Jedenfalls geht das die Wüstenleute nichts an, daher habe ich nichts gesagt. Hast du das alles verstanden?«
Sie nickte. »Und dort – das ist so ein Trupp?«
»Ja, der von Hersched. Es sieht allerdings nicht so aus, als hätten sie den Gott. Wobei …«, er lachte leise. »Wie muss man sich das vorstellen, wenn man einen bei sich hat? Niemand von uns weiß es.« Er holte das Bündel, kehrte zu ihr zurück und schulterte es. »Komm. Ich rieche bis hier, dass die Herscheden etwas am Feuer braten, und, bei Inar, ich will davon etwas abbekommen.«
»Hast du auch meine Sachen mitgetan … eingepackt?«
Zur Antwort lachte er so laut, dass es die Männer am Feuer hören mussten.
Grazia blieb dicht hinter ihm. Beim Näherkommen zählte sie acht oder neun Männer, die sich um die kleine Feuerstelle versammelt hatten. Es roch tatsächlich nach gebratenem Fleisch – und nach den Ausdünstungen von Tieren, wie sie eines im Dorf gesehen hatte. Es waren sechs an der Zahl, und sie lagerten abseits des Feuers, grunzten und schnaubten im Schlaf. Grazias Magen krampfte sich zusammen. Sie hätte nicht zu sagen vermocht, ob es vor Hunger war oder Furcht.
Anschar gab sich keine Mühe, seine Schritte leise zu setzen, vermutlich wollte er nicht, dass die Männer glaubten, er schleiche sich an. Alle reckten die Köpfe und sprangen auf, die Hände an den Schwert- und Messergriffen. Einer zog ein Bündel Reisig aus dem Feuer und warf es vor seine Füße. Grazia unterdrückte einen Schrei.
»Sie wollen uns nur sehen«, sagte Anschar leise, hob die Hände, um ihnen zu zeigen, dass er seine Waffe nicht gezogen hatte, und rief: »Frieden! Wir sind keine Wüstenmenschen.«
Schweigen folgte. Er legte betont gleichmütig das Bündel ab, nicht jedoch den Schwertgürtel, und trat näher. Die Männer starrten ihn an. Einer fand schließlich seine Stimme.
»Anschar?« Es war ein riesenhafter Kerl, mit Händen wie Bratpfannen, mit denen er sicher drei Gegner gleichzeitig
niederzuschlagen verstand. Trotzdem war sein Respekt vor einem der Zehn fast greifbar. »Nicht zu fassen! Anschar von Argad marschiert aus dem Nichts an unser Lagerfeuer. Wo ist dein Trupp? Und warum …«
»Eins nach dem anderen, Hadur. Was ist, kriegen wir etwas zu essen?«
»Natürlich.« Der Herschede machte eine einladende Geste. »Setzt euch.«
Grazia spürte Anschars Hand auf dem Rücken. Mit sanftem Druck schob er sie zum Lagerfeuer, wo er sich im Schneidersitz niederließ. Die Männer machten Platz und sahen neugierig zu, wie sie umständlich das Gewand ordnete, damit es beim Hinsetzen nirgends aufsprang. Sie waren rau und schmutzig, mit strähnigem, verschwitztem Haar, das ihnen bis weit über die Schultern fiel. Alle trugen dünne, geflochtene Kinnbärte, in denen Goldperlen glänzten. Einige lachten, als sie endlich saß und mit spitzen Fingern einen Bratspieß entgegennahm. Was darauf steckte, ähnelte verdächtig dem eidechsenähnlichen Tier, das sie vorhin gesehen hatte. Natürlich bekam sie auch einen Wasserschlauch gereicht. Sie trank zwei Schlucke und gab ihn an Anschar weiter, der den Kopf in den Nacken warf und das Wasser aus dem Leder presste, bis es schlaff in seinen Fingern hing.
»Hast du deinen Trupp gegen diese Wüstenfrau eingetauscht?«, wollte Hadur wissen.
»Sie ist keine Wüstenfrau.« Anschar keuchte, so sehr hatte ihn das Trinken angestrengt. In Windeseile befreite
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