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Das gläserne Tor

Titel: Das gläserne Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Wassermann
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Demütigung war, bis ich mich darauf besann, dass Anschar ja ein Sklave ist. Trotzdem, einer der Zehn kniet nicht, und es wäre verständlich gewesen, wenn Anschar gezögert hätte. Hat er aber nicht. Er war sofort unten und hat Sklavenhaltung eingenommen, obwohl er das wohl schon seit Jahren nicht mehr getan hatte.«
    »Deshalb also!«
    »Deshalb was?«
    »Die Wüstenmenschen hatten ihn auf die Knie gezwungen. Das hat ihm sehr zu schaffen gemacht. Dabei wollte er nur nicht vor den falschen Leuten knien.«
    »Vor Wüstenmenschen?« Darur war sichtlich entsetzt. »Aber bei Mallayur wird er sich nicht scheuen. Er kann mit ihm zurechtkommen. Zumindest wird er sich Mühe geben.«
    Und wenn er wieder gefoltert wird?, wollte sie fragen, aber sie fürchtete sich vor dem Gedanken. Stattdessen versuchte sie sich einzureden, dass Mallayur keinen Grund hatte, Anschar noch länger in dieser Felsenkammer zu lassen. Und Madyur – irgendetwas musste der Großkönig doch erreichen können!
    »Hast du ihn gesehen?«, fragte Henon, der hinter Darur auftauchte. Der Leibwächter machte einen Schritt zur Seite,
da Grazia sich nach ihm streckte. Sie ergriff Henons Hand und führte ihn zu der Steinbank.
    »Ja. Es – es geht ihm einigermaßen gut.«
    »Einigermaßen?« Henons Stimme verriet ein Höchstmaß an Misstrauen.
    »Natürlich ist es für ihn alles andere als angenehm, sich in Mallayurs Hand zu befinden.«
    »Er ist doch nicht geschlagen worden?«
    »Nein.« O Himmel, frag nicht weiter!, dachte sie verzweifelt. Sie bat Darur zurück an den Ausgang. Sowie er sich dort aufgepflanzt hatte, setzte sie sich an Henons Seite.
    »Henon, meinst du, ich könnte vor dem Schlafgemach eine Tür anbringen lassen?«
    »Aber warum denn das? Verzeih, es ist natürlich nicht an mir, Fragen zu stellen.«
    »Doch, du darfst das.« Dazu würde sie ihn wahrscheinlich noch zigmal auffordern müssen, bis er es irgendwann begriff. »Was wäre daran so merkwürdig?«
    »Deine Gemächer haben jetzt eine Tür. Niemand käme auf die Idee, einen inneren Raum zusätzlich verschließen zu wollen.«
    »Ich finde sie äußerst naheliegend. Jedenfalls wenn sich ein fremder Mann in der Wohnung aufhält. Weißt du, für mich sind diese offenen Zimmerfluchten sehr ungewohnt. Bei uns hat jedes Zimmer eine Tür, und man kann sie von beiden Seiten verschließen.«
    »Oh.« In seinem Gesicht stand die Frage, wozu das gut sei, aber sie zu stellen, erschien ihm wohl zu ungehörig. »Es sind ja gar keine Zapfen im Mauerwerk. Du bist hier ganz sicher, Herrin. Darur würde dein Schlafgemach nur betreten, wenn du in Gefahr bist, und ich schlafe selbstverständlich draußen auf meiner Matte.«
    Sie gab es auf. »Na schön. Heute scheint nicht der Tag
zu sein, irgendetwas zu erreichen. Vielleicht sollte ich bis morgen warten, um dich nach dem Ohrring und der Feder zu fragen.«
    »Was ist denn damit?«
    »Nun ja, es ist so …« Sie suchte nach den richtigen Worten, und sie musste sie schnell finden, denn allzu lange ließ er sich gewiss nicht von der Frage ablenken, ob er zu Anschar dürfe. »Ich kannte den Schmuck.«
    »Herrin?« Ein Zittern durchfuhr ihn.
    »Ja. Bitte erzähl mir alles darüber.«
    Er presste die Augen zusammen und schüttelte den Kopf. »Nein, das kann nicht sein. Nein. Nein.«
    »Das sind aber viele Neins für einen Sklaven«, versuchte sie ihn zu necken. »Bitte.«
    »Herrin, aber – aber Herrin«, stammelte er. »Warum bittest du mich immer? Das musst du nicht. Verzeihung! Ich will nicht widerspenstig sein.« Mit einem Mal brach er in Tränen aus. Sie legte eine Hand auf seinen Arm, weil er so zerbrechlich wirkte. Er zuckte zusammen. »Wenn Anschar doch nur nicht so schnell gegangen wäre! Mich bringt das alles so durcheinander.«
    »Oh, ich verstehe dich. Nur zu gut.« Sie streichelte seinen Arm und hoffte, dass es ihn ein wenig beruhigte. »Es ist sein Wunsch, dass du mir gehörst.«
    Henon erstarrte. »Das hat er gesagt?«
    »O ja …«, sie lächelte. »Also bist du mir jetzt verpflichtet, oder nicht?«
    »Ja. Ja, natürlich. Dir zu gehören, ist wohl Glück im Unglück.«
    »Dann erzähl mir alles, was ich wissen will.«
    »Wie du willst, Herrin. Darf ich mir vorher eine Decke holen? Alte Männer frieren immer so leicht.«
    »Warte.« Sie lief hinein, holte aus einer Truhe eine Decke
und half ihm, sie sich umzulegen. Er ließ es steif über sich ergehen.
    »Es werden hier anscheinend nur Menschen aus der Wüste versklavt«, hob sie an, als sie wieder

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