Das gläserne Tor
sie irgendwann brachen?
»So!«, blaffte er. »Aber Anschar, dem hast du es doch bestimmt gezeigt, oder? Und er hat es mir einfach verschwiegen?«
»Nein, er weiß es auch erst seit vorhin. Und er wollte, dass ich es dir zeige. Bitte, du musst ihn zurückholen.«
»Warum liegt dir so viel an ihm?«
Was sollte sie darauf sagen? Das wusste sie ja selbst nicht so genau. Sie wusste nur, dass es so war, und zwar mehr, als gut für sie war. »Er hat mir geholfen. Er war der erste deines Volkes, den ich kennen lernte«, sagte sie lahm.
»Ah ja. Natürlich. Trotzdem vermag ich nichts für ihn zu tun. Er gehört meinem Bruder, und ihm kann ich nicht dreinreden. Das ist ja schließlich der Sinn der Sklaverei, dass ein Mensch ganz und gar einem anderen gehört und derjenige mit ihm tun kann, was er will.«
»Und dass er ihn quält, spielt keine Rolle?«
»Er muss sich eben fügen. Ohne Grund hat Mallayur das ja wohl nicht getan. Er hat ganz recht, wenn er sagt, ich hätte Anschar zu viele Freiheiten gelassen. Nicht dass ich es bereue, ich fürchte nur, Anschar ist derjenige, der das jetzt bereuen muss. Als ich ihn vor sechs Jahren in den Stand der Zehn erhob, sagten viele, dass nichts Gescheites dabei herauskäme. Nicht mit einem Sklaven. Nun, ich ließ ihm alle möglichen Freiheiten, und er wurde einer der Besten, die ich je hatte. Jetzt muss er sich wieder auf seine Erziehung als Sklave besinnen. Brechen wird Mallayur ihn ja wohl nicht, denn wozu hätte er ihn dann haben wollen? Oh, ich ärgere mich zu Tode,
mich auf diese Wette eingelassen zu haben, das kannst du mir glauben, Rotschopf. Aber es ist nicht zu ändern.«
»Kann ich nichts für ihn tun?«
»Du? Was denn?«
»Das Wasser. Mallayur will doch … ich meine …« Sie verlor sich ins Stammeln, denn seine Augen wurden schmal, seine Züge strafften sich.
»Du meinst, du bist ihm zu Diensten, und dafür soll er Anschar anständig behandeln? Was hat Anschar denn dazu gesagt?«
Nichts, wollte sie sagen, denn darüber hatte sie mit ihm nicht gesprochen. Aber dann begriff sie. »Er hat mich angewiesen, mich nicht mit Mallayur einzulassen. Er will, dass ich ihn vergesse.«
»Das dachte ich mir. Wenn das sein Wunsch ist, dann solltest du auf ihn hören. Mallayur wird ihm vielleicht den Stolz nehmen, aber untergrabe du nicht auch noch seine Würde. Davon abgesehen will ich nicht, dass mein Bruder einen Nutzen aus deiner Fähigkeit zieht. Er hat schon eine Nihaye in seinen Diensten, von der niemand weiß, welche Kräfte sie besitzt. Dich soll er nicht auch noch kriegen. Keinesfalls! An Anschars alten Gemächern sind jetzt Türen, oder?«
Nur langsam dämmerte ihr, was er damit meinte. Sie flog von dem Sessel hoch. »Nein, ich will nicht eingesperrt werden!«
»Es muss sein.«
»Warum?«
»Uneinsichtiges Weib! Um dich vor Mallayur zu schützen. Und dabei ist es ziemlich gleichgültig, ob du zu ihm rennst, um dich für Anschar in die Bresche zu werfen, oder ob er dich rauben lässt. Was ich ihm durchaus zutraue. Und jetzt frag nicht weiter, mein Entschluss steht fest. Eine harte Maßnahme, ich weiß, aber es geht nicht anders.«
Sie konnte nur noch schlucken und krächzen. »Wie … wie lange?«
»Bis auf Weiteres. Ich muss mir selbst erst darüber im Klaren werden, wer du bist und was du wirklich kannst. Darur!«
Der Leibwächter warf den Vorhang zurück und schritt näher. Mit einem Kopfnicken deutete er an, dass er für jeglichen Befehl bereit war.
»Bring die Frau in ihre Gemächer. Die sind dort, wo Anschar früher wohnte. Und dann bleibst du bei ihr und bewachst sie. Buyudrar stelle ich ebenfalls dafür ab. Wenn sie hinausgehen will, schickst du mir einen Sklaven, der mir sagt, warum. Den Palast darf sie jedoch nicht verlassen. Wenn jemand zu ihr will und er ist nicht vertrauenswürdig, lass ihn festnehmen. Das wäre erst einmal alles, was mir dazu einfällt.«
»Es geschieht, wie du es willst, Meya«, erwiderte der Mann tonlos.
»Ich komme dich besuchen.« Fidya hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. »Sei nicht traurig.«
Grazia rührte sich nicht vom Fleck. Fest sah sie den König an. »Ich füge mich. Aber nur, wenn du Mallayur sagst, dass er Anschar anständig behandeln soll.«
»Was?« Es hörte sich an, als wolle Madyur empört auflachen. Oder vor Wut platzen. »Also gut!«, schrie er. »Ich kümmere mich darum. Bist du nun zufrieden? Aber es wäre wirklich besser, wenn du ihn vergisst. Und jetzt geh!«
»Danke.« Sie zwang sich eine
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