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Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Titel: Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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oder spielende Kinder in einem Kindergarten, aber zuzeiten hast du auch ewig heitere Götter in uns gesehen. Eines jedenfalls glaube ich aus deinen Worten schließen zu dürfen: an deiner Traurigkeit, deinem Unglück, oder wie wir es nennen mögen, ist doch wohl Kastalien nicht schuldig, es muß anderswoher kommen. Wären wir Kastalier schuld, so wären gewiß deine Vorwürfe und Einwän
de gegen uns nicht heute noch dieselben wie in den Diskussionen unsrer Knabenzeit. In späteren Unterhaltungen wirst du mir mehr erzählen, und ich zweifle nicht daran, daß wir einen Weg finden werden, dich glücklicher und heiterer, oder zumindest dein Verhältnis zu Kastalien freier und angenehmer zu machen. Soviel ich bis jetzt sehen kann, stehst du zu uns und Kastalien, und damit zu deiner eigenen Jugend und Schulzeit, in einem falschen, gebundenen, sentimentalen Verhältnis, du hast deine eigene Seele in kastalisch und weltlich aufgespalten und plagst dich übermäßig um Dinge, für die dich keine Verantwortung trifft. Möglicherweise aber nimmst du auch andere Dinge zu leicht, deren Verantwortung bei dir selber liegt. Ich vermute, daß du schon längere Zeit keine Meditationsübungen mehr gepflegt hast. Ist es nicht so?«
    Designori lachte gequält auf. »Wie scharfsinnig du bist, Domine! Längere Zeit, meinst du? Es ist viele, viele Jahre her, seit ich auf den Meditationszauber verzichtet habe. Wie besorgt du plötzlich um mich bist! Damals, als ihr mir hier in Waldzell bei meinem Ferienkurs so viel Höflichkeit und Verachtung gezeigt und meine Werbung um Kameradschaft so vornehm abgewiesen habt, damals kam ich von hier zurück mit dem Entschluß, dem Kastaliertum in mir ein Ende für immer zu machen. Ich habe von damals an auf das Glasperlenspiel verzichtet, ich habe nicht
mehr meditiert, sogar die Musik war mir für längere Zeit entleidet. Statt dessen fand ich neue Kameraden, die mir in den weltlichen Vergnügungen Unterricht gaben. Wir haben getrunken und gehurt, wir haben alle erreichbaren Betäubungsmittel durchprobiert, wir haben alles Wohlanständige, Ehrwürdige, Ideale bespien und verhöhnt. In solcher Kraßheit hat das natürlich nicht gar lange gedauert, aber lange genug, um mir den letzten kastalischen Firnis vollends wegzuätzen. Und als ich dann, um Jahre später, gelegentlich wohl einsah, daß ich allzu heftig ins Zeug gegangen war und einige Meditationstechnik sehr nötig gehabt hätte, da war ich zu stolz geworden, um damit wieder anzufangen.«
    »Zu stolz?« fragte Knecht leise.
    »Ja, zu stolz. Ich war inzwischen in der Welt untergetaucht und ein Weltmensch geworden. Ich wollte nichts andres sein als einer von ihnen, ich wollte kein andres Leben als das ihre haben, ihr leidenschaftliches, kindliches, grausames, unbeherrschtes und zwischen Glück und Angst flackerndes Leben; ich verschmähte es, mir mit Hilfe eurer Mittel eine gewisse Erleichterung und bevorzugte Stellung zu verschaffen.«
    Scharf blickte der Magister ihn an. »Und das hast du ausgehalten, viele Jahre lang? Hast du keine andern Mittel benützt, um damit fertig zu werden?«
    »O ja«, gestand Plinio, »das habe ich getan und tue
es auch heute noch. Es gibt Zeiten, wo ich wieder trinke, und meistens brauche ich auch, um schlafen zu können, allerlei Betäubungsmittel.«
    Knecht schloß eine Sekunde lang, wie plötzlich ermüdet, die Augen, dann hielt er den Freund aufs neue mit seinem Blicke fest. Schweigend blickte er ihm ins Gesicht, prüfend erst und ernst, allmählich aber immer sanfter, freundlicher und heiterer. Designori zeichnet auf, er sei bis dahin noch niemals einem Blick aus Menschenaugen begegnet, der zugleich so forschend und so liebevoll, so unschuldig und so richtend, so strahlend freundlich und so allwissend war. Er bekennt, daß dieser Blick ihn zuerst verwirrt und gereizt, dann beruhigt und allmählich mit sanfter Gewalt bezwungen habe. Doch versuchte er, sich noch zu wehren.
    »Du sagtest«, meinte er, »daß du Mittel wissest, um mich glücklicher und heiterer zu machen. Aber du fragst gar nicht, ob ich das eigentlich begehre.«
    »Nun«, lachte Josef Knecht, »wenn wir einen Menschen glücklicher und heiterer machen können, so sollten wir es in jedem Falle tun, mag er uns darum bitten oder nicht. Und wie solltest du es denn nicht suchen und begehren? Darum bist du ja hier, darum sitzen wir ja hier wieder einander gegenüber, darum bist du ja zu uns zurückgekehrt. Du haßt Kastalien, du verachtest es, du bist viel zu

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