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Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Titel: Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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übermenschlichem Lachen darin, von unsterblicher Heiterkeit. So soll es auch in unsern Glasperlenspielen klingen, und in unsrem ganzen Leben, Tun und Leiden.«
    Diese Worte wurden von einem Schüler Knechts aufgezeichnet. Mit ihnen beenden wir unsre Betrachtung über das Glasperlenspiel.

Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht

Die Berufung
    Ü ber Josef Knechts Herkunft ist uns nichts bekanntgeworden. Gleich vielen anderen Eliteschülern hat er entweder seine Eltern früh verloren oder ist von der Erziehungsbehörde aus ungünstigen Verhältnissen losgelöst und adoptiert worden. In jedem Falle ist ihm der Konflikt zwischen Eliteschule und Elternhaus erspart geblieben, der manchem anderen von seiner Art die Jugendjahre belastet und den Eintritt in den Orden erschwert hat und der in manchen Fällen hochbegabte junge Menschen zu schwierigen und problematischen Charakteren macht. Knecht gehört zu den Glücklichen, welche recht eigentlich für Kastalien, für den Orden und für den Dienst in der Erziehungsbehörde geboren und vorbestimmt scheinen; und wenn ihm auch die Problematik des geistigen Lebens keineswegs unbekannt geblieben ist, so war es ihm doch gegeben, die jedem geistgeweihten Leben eingeborene Tragik ohne persönliche Bitterkeit zu erleben. Es ist wohl auch nicht so sehr diese Tragik selbst, welche uns verlockt hat, der Persönlich
keit Josef Knechts unsre eingehende Betrachtung zu widmen; es ist vielmehr die stille, heitere, ja strahlende Art, mit welcher er sein Schicksal, seine Begabung, seine Bestimmung verwirklichte. Wie jeder bedeutende Mensch hat er sein Daimonion und seinen Amor fati, aber sein Amor fati zeigt sich uns frei von Düsterkeit und Fanatismus. Freilich wissen wir ja das Verborgene nicht und wollen nicht vergessen, daß Geschichte schreiben, auch wenn es noch so nüchtern und mit noch so gutem Willen zur Sachlichkeit getan wird, immer Dichtung bleibt und ihre dritte Dimension die Fiktion ist. So wissen wir, um große Beispiele zu wählen, ja keineswegs, ob etwa Johann Sebastian Bach oder Wolfgang Amadeus Mozart eigentlich auf eine heitere oder auf eine schwere Art gelebt haben. Mozart hat für uns die eigentümlich rührende und Liebe weckende Anmut der Frühvollendeten, Bach hat für uns die erbaulich-tröstliche Ergebenheit in das Leidenmüssen und Sterbenmüssen als in Gottes väterlichen Willen, aber wir lesen dies doch eigentlich keineswegs aus ihren Biographien und den überlieferten Tatsachen aus ihrem Privatleben, sondern wir lesen es einzig aus ihrem Werk, aus ihrer Musik. Ferner addieren wir zu dem Bach, dessen Biographie wir kennen und dessen Bild wir uns nach seiner Musik vorstellen, unwillkürlich auch noch sein postumes Schicksal: wir lassen ihn gewissermaßen in unsrer Phantasie schon als Leben
den darum wissen, lassen ihn darüber lächeln und schweigen, daß sein gesamtes Werk gleich nach seinem Tode vergessen wurde und seine Handschriften als Makulatur untergingen, daß statt seiner einer seiner Söhne der »große Bach« wurde und Erfolge erntete, daß sein Werk dann nach seiner Wiedererweckung mitten in die Mißverständnisse und Barbareien der Feuilletonepoche geriet, und so weiter. Und ebenso sind wir geneigt, dem noch lebenden und in voller, gesunder Arbeit blühenden Mozart ein Wissen um seine Geborgenheit in Todeshand, einen Vorausbesitz seines Umschlossenseins vom Tode zuzuschreiben oder anzudichten. Wo ein Werk vorhanden ist, kann der Historiker gar nicht anders, er faßt es mit dem Leben seines Schöpfers als zwei untrennbare Hälften einer lebendigen Einheit zusammen. So tun wir mit Mozart oder mit Bach, so tun wir auch mit Knecht, obwohl er unsrer wesentlich unschöpferischen Epoche angehört und nicht ein »Werk« im Sinne jener Meister hinterlassen hat.
    Wenn wir den Versuch machen, Knechts Leben nachzuzeichnen, so machen wir damit auch einen Versuch zu seiner Deutung, und wenn wir als Historiker es tief bedauern müssen, daß über den letzten Teil dieses Lebens beinahe alle wirklich verbürgten Nachrichten fehlen, so gab uns doch gerade der Umstand zu unserem Unternehmen Mut, daß dieser letzte Teil von Knechts Leben Legende geworden ist. Wir
übernehmen diese Legende und sind mit ihr einverstanden, einerlei, ob sie nur fromme Dichtung sei oder nicht. So wie wir von Knechts Geburt und Herkunft nichts wissen, wissen wir von seinem Ende nichts. Wir haben aber nicht die mindeste Berechtigung zu der Annahme, dieses Ende könnte ein zufälliges

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